Die Autobiografie des ägyptischen Koran‑ und Literaturwissenschaftlers Nasr Hamid Abu Zaid (1943‑2010) liest sich streckenweise wie ein Bildungsroman: Bereits mit drei Jahren beginnt er den Koran zu memorieren, später arbeitet er als Techniker, bis er endlich das Abitur nachholen und studieren kann. Er geht in die USA und nach Japan und wird schließlich Korangelehrter an der Al‑Azhar‑Universität in Kairo. Durch seine Thesen zum Koran und zur islamischen Theologiegeschichte gerät Abu Zaid immer wieder in Konflikt mit den Islamisten in seiner Heimat und erhält zahlreiche Morddrohungen. Er beschreibt sich in seiner Autobiografie als ein tief im muslimischen Glauben verwurzelter Mensch, der nicht mit seiner Religion hadert, sondern an seinem Land, als er 1995 aufgrund des Vorwurfs der Apostasie von seiner Frau zwangsgeschieden wird und mit ihr ins Exil in die Niederlande geht. Viel Raum ist in dem Buch Abu Zaids Interpretationen des Korans und seinen theologischen Auslegungen gewidmet. Wenn Abu Zaid Prinzipien wie Frauenrechte, Menschenrechte, Demokratie oder die Trennung von Religion und Staat verficht, argumentiert und begründet er diese immer aus den Tiefen der Schrift selbst. Er bedient sich bei seiner Analyse des Korans moderner literaturwissenschaftlicher Methoden und wendet sich explizit gegen alle radikalen Muslime, die diesen wortwörtlich verstehen wollen, wenn er darauf beharrt, dass bei dessen Auslegung der historische Entstehungskontext nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Seine Autobiografie, aufgeschrieben von Navid Kermani und ins Deutsche übersetzt von Chérifa Magdi, erschien erstmals 1999.