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Günther Heydemann / Clemens Vollnhals (Hrsg.)

Nach den Diktaturen. Der Umgang mit den Opfern in Europa

Göttingen u. a.: Vandenhoeck & Ruprecht 2016 (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 59); 288 S.; geb., 60,- €; ISBN 978-3-525-36971-5
Der Band basiert auf einer internationalen Tagung, die im Juni 2013 an der Technischen Universität Dresden stattfand, und versammelt dreizehn Beiträge deutscher und europäischer Historiker. Die Länderbeiträge zum politischen und gesellschaftlichen Umgang mit den Opfern nach dem Ende europäischer Diktaturen stehen eher lose nebeneinander; einen vergleichenden Zugang wählt Herausgeber Günther Heydemann in seinem den Band abschließenden Beitrag. Neben den Entwicklungen etwa in Deutschland und Italien nach 1945 werden die Militärdiktaturen Spaniens, Portugals und Griechenlands behandelt. Dem Themenfeld der kommunistischen Diktaturen wird mit etwa der Hälfte des Gesamtbandes der größte Raum gewidmet. Während dabei beispielsweise der ungarische Zeithistoriker Krisztián Ungváry festhält, die Erinnerungskultur in seinem Heimatland bestehe „aus gegenseitiger Aufrechnung der Verbrechen der ungarischen Faschisten mit denen der Kommunisten“ (207), sieht Claudia Matthes in Lettland einen gesellschaftlichen „Dialog über die Vergangenheit“ (232), werde doch zumindest über die Kollaboration mit Nazi‑Deutschland inzwischen öffentlich diskutiert, auch wenn die materielle Wiedergutmachung für die Opfer gering sei. Die Fokussierung auf die verschiedenen Opfergruppen und ihre Entschädigung und Rehabilitierung ist von Beitrag zu Beitrag sehr unterschiedlich ausgeprägt; einige beschäftigen sich eher mit der Vergangenheitspolitik im Allgemeinen. Heinz A. Richter widmet sich in seinem Text zu Griechenland mehr der britischen und amerikanischen Intervention und sagt fast nichts zur Opfer‑Thematik. Im Gegensatz dazu geht es in anderen Beiträgen, wie in dem von Elena Zhemkova zur Sowjetunion beziehungsweise zu Russland, fast ausschließlich um die Betrachtung der Diktatur‑Opfer. Sie bietet dabei auch eine interessante tabellarische Auflistung zu Deportationskampagnen und deren Ausmaßen ab den 1920er‑Jahren. Diese regt, ähnlich wie eine Übersicht aller Gesetzesinitiativen zur Wiedergutmachung in Portugal, zu weiterführender Beschäftigung an – die ist an einigen Stellen auch geboten, bei unter 300 Seiten Gesamtumfang und so vielen betrachteten Ländern. Die Opfer des Nationalsozialismus in Österreich werden auf gerade mal sieben Seiten bedacht – eine solch extrem kondensierte Darstellung geht stellenweise auch zulasten der Lesbarkeit.
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Rubrizierung: 2.612.252.232.35 Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: Günther Heydemann / Clemens Vollnhals (Hrsg.): Nach den Diktaturen. Göttingen u. a.: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39639-nach-den-diktaturen_48177, veröffentlicht am 28.04.2016. Buch-Nr.: 48177 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken