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Julia Christ / Titus Stahl (Hrsg.)

Momente der Freiheit. Beiträge aus den Foren freier Vorträge des Internationalen Hegelkongresses 2011

Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann 2015 (Geist und Geschichte 2; Veröffentlichungen der Internationalen Hegel-Vereinigung 26); 181 S.; Ln., 39,- €; ISBN 978-3-465-03913-6
Die gemeinsame Klammer der Beiträge dieses Bandes ist, wie das Herausgeberduo im Vorwort betont, die bei Hegel ausgeprägte „Kritik zu kurz greifender Freiheitsbegriffe“, insofern diese alle wegen ihrer Einseitigkeit mit der „objektiven Wirklichkeit“ (7) des Begriffes nicht in Einklang zu bringen seien. Zu erwarten ist also die Diskussion moderner Ausdrucksformen von Freiheit in Recht, Moral, Kunst und Religion, aber auch im Sozialen und dabei insbesondere deren kritische Analyse. So unternimmt Markus Rothhaar den Versuch, Hegels Theorie der Strafe, die als „am besten ausgearbeitete Konzeption einer Vergeltungstheorie der Strafe“ (15) gelte, gegen die zeitgenössische Ignoranz zu verteidigen, wonach Vergeltung strafrechtlich keine ernstzunehmende Kategorie mehr sei – vor allem nicht in einem demokratischen Staat. Theorien der Vergeltung sind in der Tat offen für Kritik: Sie stehen stets in dem Verdacht, nur einem irrationalen Rachebedürfnis das Feld zu bereiten, sie ließen eine Perspektive der Versöhnung vermissen und könnten zudem nicht plausibilisieren, inwiefern durch Vergeltung am Täter überhaupt so etwas wie Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Worauf Rothhaar mit seiner – man darf durchaus sagen – ungestüm vorgetragenen Kritik hinauswill, ist letztlich ganz einfach: Zeitgenössische Humanisierungstendenzen, unter deren Einfluss unter bestimmten Umständen auch Strafe erlassen wird, handelten sich ein „gravierendes Menschenrechtsproblem“ ein: „Faktisch nämlich bedeutet der Verzicht auf adäquate Bestrafung [...] nichts weniger als die Negation der Rechte der Verbrechensopfer“ (26). Das also ist Rothhaars Punchline: unnachgiebiges Bestrafen als Opferrecht – ob es für deren Artikulation indes eines Rekurses auf Hegel bedurft hätte, sei dahingestellt. Andreja Novakovic adressiert in ihrem Beitrag ein gänzlich anderes Feld, nämlich das der „starken Identifikation zwischen dem Sittlichen und dem Gewohnheitsmäßigen“ (93). Hatte Kant allem Gewohnheitsmäßigen noch Verwerflichkeit attestiert, liegen die Dinge bei Hegel anders: Gelinge es nicht, Ideale und alltägliche Praxis zu leben und dadurch auch für Dritte einsichtig zu machen, so wäre eine gute soziale Praxis nicht vermittelbar. Und fehle der Rückgriff auf sittliche Prinzipien in der Praxis, dann entfalle damit auch ihre Orientierungsleistung – die, unter umgekehrten Vorzeichen, auch Kritik des Bestehenden und somit letztlich sozialen Wandel meinen kann.
{LEM}
Rubrizierung: 5.33 | 5.44 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Julia Christ / Titus Stahl (Hrsg.): Momente der Freiheit. Frankfurt a. M.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39060-momente-der-freiheit_47625, veröffentlicht am 05.11.2015. Buch-Nr.: 47625 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken