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Alfons Bora / Peter Münte (Hrsg.)

Mikrostrukturen der Governance. Beiträge zur materialen Rekonstruktion von Erscheinungsformen neuer Staatlichkeit

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Studien zur Politischen Soziologie 19); 263 S.; brosch., 44,- €; ISBN 978-3-8329-7216-5
Der Begriff der Governance, so die Herausgeber einleitend, sei zu Recht mehrfach als „unscharf“ (7) bezeichnet worden. Dies liege, so wird im Verlauf der Einführung deutlich, nicht zuletzt an der Tatsache, dass dieser stark normativ aufgeladen sei. Positiv bewertete Begriffe wie Partizipation, Kooperation oder Dialog rückten analytisch in den Vordergrund und verdrängten damit (ob gewollt oder ungewollt) ihre negativ behafteten Pendants wie Herrschaft, Kontrolle oder Hierarchie. Ob aber ein Mehr an Dialog zugleich auch ein Weniger an Herrschaft bedeute, sei zumindest zweifelhaft und lasse sich, so die Herausgeber, nur fallspezifisch durch eine Analyse der „Mikrostrukturen der Governance“ klären. Die einzelnen Fallstudien orientieren sich demgemäß grob an der Frage, wie unterschiedliche Formen von Governance-Prozessen zur interaktiven Herstellung (Reproduktion oder Modifikation) einer sozialen Ordnung beitragen. Dabei spielen Aspekte der semantischen Produktion von Gesellschaftsbildern und die durch die Kooperationspraxis erzeugten Vorstellungen gesellschaftlicher Normalität eine übergeordnete Rolle. In der Zusammenschau der Beiträge wird deutlich, dass es etwa auf die Frage der demokratischen Qualität von Governance-Prozessen keine einheitliche Antwort geben kann, sondern diese „erst im Rahmen einer Betrachtung der realen Kommunikationsstrukturen entsprechender Verfahren und der in ihnen implizierten Bürgerrollen“ (24) fallspezifisch analysiert werden kann. Zwar kommt die Mehrzahl der Beiträge mit Blick auf die Demokratiefrage zu einer meist negativen, mindestens aber skeptischen Einschätzung, vor allem, da die Betrachtung der Mikroebene oftmals unterstreicht, dass die Kehrseite von Kooperations- und Partizipationsmöglichkeit immer auch einen Kooperationszwang und ein Beteiligt-Werden impliziert. Umgekehrt kommt aber Alexander Bogner in seiner Studie über den Nationalen Ethikrat zu dem Schluss, dass der Einsatz von Expertengremien nicht zwangsläufig, wie oft behauptet, zu einer Technokratisierung und Entdemokratisierung von Politik führen müsse. Vielmehr könne durch Expertengremien auch die Pluralität der mit einer Entscheidung verbundenen Normen und Werte sichtbar gemacht werden. Für die beteiligten Akteure werde damit die Notwendigkeit einer genuin politischen und damit individuellen Gewissensentscheidung unterstrichen.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.21 | 2.32 | 2.342 | 2.4 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Alfons Bora / Peter Münte (Hrsg.): Mikrostrukturen der Governance. Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9227-mikrostrukturen-der-governance_43189, veröffentlicht am 10.01.2013. Buch-Nr.: 43189 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken