Mitten in der Konsolidierungsphase der neuen Herrschaftsstrukturen in Georgien nach der so genannten „Rosenrevolution“ vom Herbst 2003 legt die Autorin eine Studie zu den politischen Steuerungsprozessen in diesem Land vor. Im Kontrast zum Mainstream der Diskussion um „schwache Staaten“ oder „Staatsversagen“ wird der Stagnationszustand des Landes als Resultat eines bewussten Verzichts auf die Attribute herkömmlicher Staatlichkeit interpretiert. Am Beispiel der zweitwichtigsten Stadt des Landes, Kutaissi, beschreibt die Autorin die amorph und handlungsunfähig erscheinenden georgischen Machtstrukturen als gemeinschaftliches und rationales Produkt der national, regional und lokal handelnden Eliten. Insgesamt entsteht ein anschauliches Bild der im Land etablierten Bereicherungsmechanismen. Diese bilden funktionierende Ordnungsstrukturen, die im bis zuletzt durch Niedergang und Perspektivlosigkeit geprägten Bild des Landes zu vermuten, aber nicht vordergründig zu erkennen sind. Tauglichkeit und Nutzen von Großtheorien müssen angesichts der zunehmenden Komplexität weltpolitischer Zusammenhänge grundsätzlich angezweifelt werden. Dass die in der Einleitung in Aussicht gestellte „Theorie der Macht unter den Bedingungen der Globalisierung“ (13) am Ende dieser Studie nicht zustande kommt, ist darum zu verschmerzen. Christophe vermeidet die Realitätsferne deduktiv-abstrakter Herleitungen und erklärt anschaulich konkrete Ausschnitte der politischen Erfahrungs- und Verhaltenswelt. Nicht nur für Georgienkenner bietet die kenntnisreiche Studie damit eine spannende Lektüre, setzt sie doch auch zahlreiche Fragezeichen für den Erfolg der nun am Ruder des Landes stehenden jungen Reformer. Aber auch für die generelle Frage, wie politische Steuerungsprozesse in den Randzonen der globalisierten Weltgesellschaft ablaufen, ist diese Einzelfallstudie ein wichtiger Beitrag.