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Tilman Mayer (Hrsg.)

Medienmacht und Öffentlichkeit in der Ära Adenauer

Bonn: Bouvier Verlag 2009 (Rhöndorfer Gespräche 23); 264 S.; 18,- €; ISBN 978-3-416-03998-7
Die Medien als vierte Gewalt sind ein beständiger Begleiter der Politik – dies war auch schon in der Ära Adenauer so. In dem Sammelband sind die Beiträge der Rhöndorfer Gespräche aus dem September 2006 dokumentiert, mit Fokus auf die Rolle der – medial vermittelten – Öffentlichkeit im Rahmen der Etablierung der westdeutschen Demokratie nach 1945. In einer stark historisch‑rekonstruktiven und weniger politologischen Perspektive ergeben sich mit Blick auf den gesamten Band drei zentrale Befunde. Zunächst, so etwa Tilman Mayer in seinem einführenden Beitrag, sei die Sichtweise auf die Ära Adenauer als eine restaurative Epoche nicht mehr sachadäquat. Vielmehr sei es in den 1950er‑ und 1960er‑Jahren zu einem massiven Umbruch gekommen, mit dem das Fundament für eine weitgehend entideologisierte, gefestigte westdeutsche Demokratie gelegt worden sei. Zudem sei eine Vorstellung von Medienmacht – also die Tatsache, dass Medienberichterstattung politische Auswirkungen auch weit jenseits der bloßen Kontrolle der Politik zeitigen könne – mit der Etablierung überregionaler Qualitätszeitungen, des Hörfunks und dann zunehmend auch des Fernsehens in den 1950er‑Jahren überhaupt erst entstanden. Und schließlich bleibe weiter zu diskutieren, inwiefern diese sich selbst anerkennende Bundesrepublik mitsamt ihrer jungen, sicher auch fragilen Demokratie das Fundament für jene Zivilgesellschaft gelegt habe, die auch heute noch fortwirke. Dass der Band dabei selbst nicht frei ist von retrospektiver Rechtfertigung, zeigt der Beitrag von Hans‑Peter Schwarz. Er zitiert ein Interview von Peter Boenisch mit Konrad Adenauer aus dem Jahr 1963, in dem Adenauer auf die Frage, wen er denn als seinen potenziellen Nachfolger sehe, den Namen Axel Springer nennt. Die Medienmacht des Springerkonzerns ist bis heute unbestritten und für die Entwicklung der Bundesrepublik unbestreitbar. Indes hätte es dem Band gut zu Gesicht gestanden (allzumal aus politologischer, demokratietheoretischer Perspektive) einen intensiveren Blick auf die Abgründe der Adenauer‑Ära zu werfen, etwa auf die Spiegel‑Affäre von 1962. In diesen Brüchen offenbart sich, wie dünn der Firnis der Demokratie auch nach mehr als zehn Jahren Bonner Demokratie noch war. Ein authentisches Bild der Regentschaft Adenauers hätte – mit Blick auf den hier thematisierten Zusammenhang von Medien, Öffentlichkeit und Politik – mit der Besprechung dieser skandalösen Übergriffigkeit der Politik auf die Medien beginnen müssen und nicht mit Lobhudeleien Adenauers gegenüber Springer, rapportiert von Boenisch.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.313 | 2.333 | 2.322 | 2.314 | 5.2 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Tilman Mayer (Hrsg.): Medienmacht und Öffentlichkeit in der Ära Adenauer Bonn: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35870-medienmacht-und-oeffentlichkeit-in-der-aera-adenauer_40194, veröffentlicht am 27.06.2013. Buch-Nr.: 40194 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken