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Christiane Baumann

Manfred "Ibrahim" Böhme. Das Prinzip Verrat

Berlin: Lukas Verlag 2015; 191 S.; brosch., 19,80 €; ISBN 978-3-86732-208-9
In den Tagen der Wende 1989 stolperten zahlreiche DDR‑Bürger in die politische Arena hinein. Zu der Riege jener, denen man zubilligte, langfristig eine wichtige Rolle zu spielen, gehörte Manfred „Ibrahim“ Böhme. In der Sozialdemokratie der DDR machte er, mit Eloquenz und Charisma versehen, rasant Karriere – bis es Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit gab. Im Auftrag der Robert‑Havemann‑Gesellschaft hat die Journalistin Christiane Baumann bereits 2009 versucht, das Leben Böhmes auszuleuchten. Mit dieser Neuausgabe ihres Buches erweitert sie ihre Befunde, die wohl auf Dauer allerdings bruchstückhaft bleiben werden, weil Aktenbestände des MfS über Böhme in den Tagen der Wende vernichtet wurden. Er selbst hatte zudem offenkundig Zeit seines Lebens Schwierigkeiten, Wahrheit und Fiktion auseinanderzuhalten. Sein Leben war gleichsam ein ständiger Kampf um Anerkennung und Akzeptanz, ja auch um Geborgenheit und gesellschaftliche Reputation. Baumann konstatiert, dass Böhme über „zwei Identitäten, der äußeren und der gefühlten inneren“ (92) verfügte, die immer wieder auch in Konflikt miteinander gerieten. Böhme spionierte zwar gründlich in der Bürgerrechtsszene und berichtete in reichlich ausschmückender Weise über sie, doch genau diese Szene sicherte ihm erstmals die Reputation, nach der er sich letztlich wohl gesehnt hatte. Das Doppelspiel konnte Böhme allerdings nicht allzu lange durchhalten. Psychisch geriet er schon im Januar 1990 an seine Grenzen. Als seine Stasiverstrickungen dann nach und nach bekannt wurden, bestand zunächst noch viel Unglaube darüber, weswegen er zunächst nur langsam, aber letztlich doch stetig abstürzte. So blieb am Ende eine verkrachte Existenz übrig. Der Alkohol erledigte dann den Rest. Böhme starb 1999 mit gerade einmal 55 Jahren als Pflegefall. Baumann beschreibt diesen von Widersprüchen geradezu durchpflügten Lebenslauf in bemerkenswerter Stringenz. Zugleich vermeidet sie allzu forsche Schlüsse bei den Punkten seiner Vita, die wohl noch längere Zeit Rätsel aufwerfen werden. So hält sie die Frage bewusst offen, welchen Auftrag Böhme bei der Gründung der SDP genau hatte.
{SKL}
Rubrizierung: 2.3142.3152.35 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Christiane Baumann: Manfred "Ibrahim" Böhme. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38579-manfred-ibrahim-boehme_47105, veröffentlicht am 25.06.2015. Buch-Nr.: 47105 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken