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Claudia Dathe / Andreas Rostek (Hrsg.)

Majdan! Ukraine, Europa. Übersetzt u. a. von translit e.V.

Berlin: edition.fotoTAPETA 2014 (Flugschrift ); 157 S.; pb., 9,90 €; ISBN 978-3-940524-28-7
„Der Majdan hat die Wende gebracht“ (12), stellen Claudia Dathe und Andreas Rostek einleitend mit Blick auf den Platz, der zum Symbol der ukrainischen Revolution geworden ist, fest. In über dreißig Beiträgen liefern Autorinnen und Autoren aus Medien, Literatur, Wissenschaft und Politik Erklärungen und Hintergründe der Ereignisse, deren blutiger Charakter viele Beobachter_innen gleichermaßen überrascht wie schockiert hat. Den Artikeln ist eine kurze Chronik der Ereignisse auf dem Majdan vorangestellt. Die Beiträge selbst sind größtenteils aus dem Ukrainischen übersetzt und spiegeln daher vor allem die Perspektiven der unmittelbar Betroffenen und Beteiligten wider: Es sind kurze Episoden, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln zum Teil sehr persönliche und subjektive Schilderungen dessen liefern, was mal als Versuch der Annäherung an Europa, mal als Bemühen um demokratische Veränderungen erklärt wird. Der Schriftsteller Andrij Ljubka beschreibt beispielsweise das Paradoxon der Gleichzeitigkeit der Liebe für ein Land und des Hasses auf einen Staat, der von einer bürokratischen Maschinerie dominiert wird, die für seine Bürger_innen vor allem Probleme schafft. Für Ljubka hat es allerdings in der Ukraine „eine so reife, kluge und disziplinierte Revolution […] noch nie gegeben“ (21). Die scheinbare „Sisyphos‑Revolution“ (16) auf dem Majdan, die zunächst aus immerwährenden Anläufen der Demonstrierenden gegen das Regime bestand, zeugt demnach von einer neuen ukrainischen Zivilgesellschaft. Neben der Innenperspektive auf die Ereignisse in Kiew liefert das Buch auch Beiträge aus einer europäischen Außensicht auf die Entwicklungen. Es schreiben unter anderem deutsche Europapolitker_innen wie Rebecca Harms und Elmar Brok und die britischen Historiker Timothy Garton Ash und Orlando Figes. Letzterer findet den Begriff der Revolution für die Ereignisse in Kiew nicht nur nicht zutreffend, er rät den Ukrainer_innenn darüber hinaus auch, „die inhärente Zerbrechlichkeit dieser (ukrainischen) Identität anzuerkennen“ (67). Er argumentiert dabei, dass die heutige Ukraine zum einen vor dem 20. Jahrhundert noch gar nicht existierte, zum anderen – gravierender noch für die heutige Situation – mit der Kiewer Rus die Quelle der russischen Identität darstellt. Figes Urteil fällt daher eindeutig aus: Angesichts ihrer Situation zwischen Europa und Russland wäre eine Spaltung der Ukraine einer von außen aufgezwungenen Lösung vorzuziehen. Er nennt hierzu auch gleich einen historischen Präzedenzfall: die Teilung der Tschechoslowakei 1993.
Christian Patz (CPA)
M.A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Fachbereich Politikwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rubrizierung: 2.612.254.412.623.6 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Claudia Dathe / Andreas Rostek (Hrsg.): Majdan! Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37303-majdan_45496, veröffentlicht am 17.07.2014. Buch-Nr.: 45496 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken