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Heinrich Oberreuter (Hrsg.)

Macht und Ohnmacht der Parlamente

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013; 249 S.; 34,- €; ISBN 978-3-8329-7294-3
Tendenzen eines Machtverlustes des Parlaments, also dem einzigen direkt legitimierten Verfassungsorgan auf Bundesebene, sind seit Langem Thema politikwissenschaftlicher Untersuchungen in Deutschland. Galten in der Vergangenheit in erster Linie Formen übermäßigen Verbandseinflusses als Ursachen einer möglichen Entparlamentarisierung von Entscheidungen, so werden in der neueren Diskussion vor allem drei Aspekte hervorgehoben, die in demokratietheoretischer Perspektive die parlamentarische Souveränität langfristig aushöhlen könnten. Dabei handelt es sich um die zunehmende Bedeutung von Verhandlungssystemen zwischen staatlichen und privaten Akteuren, mit der erhebliche Machtgewinne der Exekutive gegenüber der Legislative einhergehen; um den europäischen Integrationsprozess, der – strukturell exekutivisch geprägt – den nationalen Parlamenten umfangreiche Rechtsmaterien entzieht; schließlich um den übermäßigen Einfluss des Mediensystems auf die parlamentarische Debattenkultur. Eröffnet mit einem kritischen Blick auf die Rolle der Medien von Bundestagspräsident Norbert Lammert hat das 2011 veranstaltete 10. Passauer Parlamentarismussymposium alle drei Tendenzen aufgegriffen. Die Beiträge behandeln zunächst, bezogen auf Deutschland, in systematischer Perspektive Formen der Entparlamentarisierung und mögliche Reformansätze (Oberreuter; Patzelt; Papier; Kranenpohl); ergänzt wird dieser Themenblock durch eine empirische Abhandlung über das Bild der Abgeordneten in der Öffentlichkeit (Schüttemeyer). Den deutschen Erfahrungen werden dann ähnliche Entwicklungen in Großbritannien, Frankreich, Italien, den USA und den Transformationsstaaten Ost‑ und Mitteleuropas gegenübergestellt (Sturm; Braml; Kimmel; Köppl; Bos) und schließlich im Rahmen einer länderübergreifenden Untersuchung über Funktions‑ und Leistungsprofile von Parlamenten vergleichend betrachtet (Sebaldt). Politiktheoretisch reizvoll sind vor allem die von Papier entwickelten staatsrechtlichen Bedenken, die durchaus Berührungspunkte zur Postdemokratie‑These von Colin Crouch aufweisen.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.21 | 2.321 | 2.323 | 2.64 | 2.2 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Heinrich Oberreuter (Hrsg.): Macht und Ohnmacht der Parlamente Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36448-macht-und-ohnmacht-der-parlamente_44055, veröffentlicht am 28.11.2013. Buch-Nr.: 44055 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken