Maximillian Schiffers: Lobbyisten am runden Tisch. Einflussmuster in Koordinierungsgremien von Regierungen und Interessengruppen
25.11.2019Der Einfluss von Interessenorganisationen auf politische Entscheidungen und Prozesse ist immer wieder Forschungsschwerpunkt der vergleichenden Politikwissenschaft. Wie wird Einfluss genommen? Wie groß ist dieser auf die verschiedenen Politikfelder? Welche Rolle spielen finanzielle Zuwendungen, beispielsweise in Form von Parteispenden? Diese Fragen sind leicht gestellt, jedoch umso schwerer beantwortet. „Trotz großer Fortschritte in der empirischen Forschung bleibt nach wie vor unklar, wie sich Faktoren abstrakter Macht in konkreten Einfluss auf politische Entscheidungen umwandeln“ (12).
Maximilian Schiffers widmet sich in seiner Dissertation dem Einfluss von Interessenorganisationen auf institutionalisierte Koordinierungsgremien von Regierungen. Seine Forschungsfrage fokussiert er auf die Energiewendepolitiken auf Landesebene, die er am Beispiel von Nordrhein-Westfalen (NRW) und Bayern untersucht. Dabei konzentriert er sich ausschließlich auf das Format der Koordinierungsgremien, ihm geht es vor allem um kooperative Politikformen zwischen Regierungen und Interessenorganisationen.
Die Arbeit gliedert sich in vier Teile:
Im ersten Abschnitt legt der Autor die theoretischen Grundlagen, definiert Begriffe, stellt verschiedene Konzepte der Einflussnahme durch Interessengruppen vor und zeigt den Forschungsstand auf. Schiffers befasst sich mit fünf ausgewählten Koordinierungsgremien, die sich inhaltlich mit der Energiewende beziehungsweise dem Umweltschutz beschäftigen. Drei davon sind im Bundesland Bayern verortet, zwei in NRW. Die Auswahl der Fallbeispiele ermöglicht eine Vergleichbarkeit.
Der zweite Teil widmet sich ausführlich der Methodik. Dabei nutzt der Autor drei wesentliche Methoden respektive Datenquellen, um seine Forschungsfrage zu beantworten: Im Rahmen einer Dokumentenanalyse wurden Stellungnahmen der beteiligten Akteure, Gremiendokumente sowie öffentliche Aussagen, beispielsweise im Rundfunk, ausgewertet. Das zweite empirische Standbein der Arbeit ist die teilnehmende Beobachtung. Der Autor nahm an einer Gremiensitzung teil. Als dritte Datenquelle dienen standardisierte, halboffene, leitfadengestützte Experteninterviews, die Schiffers mit Vertretern der Landesregierungen und Interessengruppen durchgeführt hat – insgesamt waren es 15 Interviews, die jeweils ca. eine Stunde dauerten.
Die Analyse steht im Blickpunkt des dritten Teils. Jedes Fallbeispiel wird nach dem gleichen Muster untersucht: Zunächst wird die Ausgangssituation beschrieben, um das Gremium in einen größeren Kontext zu setzen. Anschließend werden die Interessen der Akteure dargestellt. Dem folgt die Veranschaulichung der jeweiligen Prozessabläufe, Zwischenschritte und Ergebnisse der Koordinierungsgremien. Schließlich werden die Prinzipien, Inhalte und Qualität der Zusammenarbeit beschrieben. Im Analyseteil bindet der Autor immer wieder Zitate aus den Experteninterviews ein, um seine Aussagen zu unterstreichen.
Im vierten und letzten Teil werden die Ergebnisse dargestellt. Beispielsweise zeigt sich, dass durch Koordinierungsgremien der persönliche Austausch der Beteiligten begünstigt und so Vorurteile abgebaut beziehungsweise öffentliche Kritik der Akteure besser eingeordnet werden können. Weiterhin muss auf beiden Seiten (Regierung und Interessenorganisation) eine echte Handlungsbereitschaft vorhanden sein. Ist dies nicht der Fall, verkommen Koordinierungsgremien zur Schaubühne für Symbolpolitik. Es zeigt sich auch, dass ein konfrontatives Verhalten einer Interessengruppe, beispielsweise durch das öffentlichkeitswirksame Verlassen eines Koordinierungsgremiums, dem Einfluss eher abträglich ist, da Vertrauen auf Seiten der Regierung verspielt wird.
Die zu Beginn der Arbeit formulierte Frage nach dem Einfluss von Interessenorganisationen kann nicht abschließend beantwortet werden, was allerdings auch nicht das Ziel der Arbeit war. Vielmehr bereichert Schiffers die Debatte um Lobbying und Einflussnahme durch seine Analyse. Seine Dissertation besticht weiterhin durch ihr starkes theoretisches Fundament. Die Überleitung von mehreren Theorieansätzen auf den konkreten Fall der Einflussnahme im Rahmen von Koordinierungsgremien auf Landesebene ist gelungen. Der stärkste Teil der Dissertation ist die Analyse. Schiffers gelingt es, die Arbeit der Koordinierungsgremien beziehungsweise deren Akteure lebhaft darzustellen. Die Aussagen der Interviewpartner sind anschaulich eingebunden und vermitteln einen Einblick in die Wirkmechanismen der Einflussnahme.
Lediglich zwei Kritikpunkte sind zu erwähnen. Erstens ist die Sprache schwer verständlich, weshalb die Arbeit vermutlich nur einem kleinen Teil des wissenschaftlichen Betriebes zugänglich sein wird. Der zweite Kritikpunkt betrifft die empirische Grundlage. Der Autor hätte mehr Datenmaterial, beispielsweise in Form von teilnehmenden Beobachtungen oder ergänzenden Experteninterviews, zur Verfügung stellen sollen.