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Julia Roth (Hrsg.)

Lateinamerikas koloniales Gedächtnis. Vom Ende der Ressourcen, so wie wir sie kennen

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Schriftenreihe Zentrum und Peripherie 9); 265 S.; 49,- €; ISBN 978-3-8487-1967-9
Die Ausbeutung von Bodenschätzen und deren Folgen für Natur und Menschen sind die Quelle zahlreicher aktueller Konflikte in den Ländern Lateinamerikas. Diesem Thema ist auch der aus einem gleichnamigen Symposium 2010 in Berlin hervorgegangene Sammelband gewidmet. Die deutschen und lateinamerikanischen Forscher_innen und Aktivist_innen konstatieren, dass die Ressourcen des Kontinents begrenzt sind und das Exportmodell, das in den vergangenen zwei Jahrhunderten lateinamerikanischer Nationalstaaten und der vorangegangenen kolonialen Zeit entstanden ist, keine Zukunft habe. Auch wenn Regierungen und globale Unternehmen dies nicht wahrhaben wollen: die Ausbeutung der natürlichen und menschlichen Ressourcen sowie die Zerstörung der Biosphäre sei ein gemeinsames, globales Problem, genauso wie die daraus folgenden sozialen und globalen Ungleichheiten. Lateinamerika sei seit der Eroberung und bis heute in erster Linie eine Quelle für Bodenschätze (Gold, Silber, Erdöl, Gas) oder agrarische Güter (Zucker, Kaffee, Fleisch, Soja) gewesen. Gegen diese Machtasymmetrie und die damit verbundene Zerstörung der Natur rege sich aber Widerstand, vor allem durch gesellschaftliche Bewegungen, vereinzelt aber auch durch staatliche Akteure. In den Beiträgen werden die Bedeutung der Ressourcen und des kolonialen Erbes aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet: Zunächst bieten die Autor_innen einen historischen Überblick über die Demokratisierung nach dem Ende der Militärdiktaturen in vielen Ländern, erläutern die alternative Kosmovision des Buen Vivir/Sumak Kawsay, des „guten Lebens“, in Ecuador und Bolivien, und sie beschreiben Möglichkeiten, die erkenntnistheoretischen Grundlagen des Kapitalismus zu überwinden. Danach folgen Interviews und Beiträge über Widerstand und Aktionen sozialer Bewegungen vor allem in Argentinien, deren Kampf für Rechte sowie sozialer und künstlerischer Protest gegen Ausbeutung. Schließlich finden sich Artikel über Neo‑Extraktivismus, die Bedeutung von Bergbau‑Großprojekten für globale Machtstrukturen, das Verhältnis der Menschen in Lateinamerika zur Natur und die Bedeutung der Abhängigkeit vom Rohstoffexport. Wie ein roter Faden zieht sich durch den Sammelband, dass die Autor_innen die Ausbeutung von Ressourcen und Menschen sowie die Zerstörung der Umwelt nicht zuletzt durch multinationale Konzerne beklagen, gleichzeitig aber der Zerstörung als vorbildliches Beispiel das aus Lateinamerika stammende Konzept des „guten Lebens" entgegensetzen. Dieses beruht auf indigenen Traditionen und verbietet die Zerstörung von Natur und Umwelt.
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Rubrizierung: 2.652.222.2622.23 Empfohlene Zitierweise: Steffen Heinzelmann, Rezension zu: Julia Roth (Hrsg.): Lateinamerikas koloniales Gedächtnis. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38695-lateinamerikas-koloniales-gedaechtnis_46958, veröffentlicht am 30.07.2015. Buch-Nr.: 46958 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken