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oekom e. V. – Verein für ökologische Kommunikation (Hrsg.)

Lateinamerika. Zwischen Ressourcenausbeutung und "gutem Leben" Mitherausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung

München: oekom verlag 2013 (politische ökologie); 145 S.; 16,95 €; ISBN 978-3-86581-425-8
In diesem Band sind knapp 20 Kurzbeiträge versammelt, die Lateinamerika schlaglichtartig als Kontinent der Gegensätze und der Superlative beschreiben: Rohstoffreichtum, Artenvielfalt und Naturschönheiten einerseits, verseuchte Landschaften und ausufernder Raubbau an der Natur andererseits; soziale Ungleichheit, Korruption und Gewalt versus progressive Verfassungsziele, Sozialprogramme und erstarkte Zivilgesellschaften, die alternative Konzepte des guten Lebens entwickeln. Auf politischer und wirtschaftlicher Ebene hebt Héctor Alimonda – trotz nationaler Besonderheiten und Unterschiede zwischen den Ländern – als hervorstechendste Gemeinsamkeit den Versuch der Regierungen hervor, nach einer langen Phase des neoliberalen Dogmas die „staatliche Fähigkeit zur wirtschaftlichen Regulierung und zur Umsetzung von Instrumenten öffentlicher Politik wiederzuerlangen“ (20). Allerdings werde die Politik der Umverteilung mit einer dramatisch gestiegenen Ausbeutung der Naturressourcen bezahlt. Doch trotz aller Gerechtigkeitsrhetorik sei es bisher nicht gelungen, strukturelle Veränderungen herbeizuführen. Wie Michael Alvarez ausführt, hat die Steuerpolitik ihren „repressiven, […] Ungleichheit reproduzierenden Charakter beibehalten“ (41). Ausdruck hierfür sind die anhaltende organisierte Kriminalität, Korruption und politische Gewalt, die in mehreren Beiträgen thematisiert werden. „Drogenkartelle korrumpieren demokratische Institutionen, Jugendbanden drangsalieren Migranten und die harte Hand der Politik sät mehr Angst als Sicherheit“ (50), beschreibt Ingrid Spiller die Spirale der Gewalt. Zu den brutalsten Gewaltverbrechen zählt sie die sogenannten Femizide, Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts, für die in den 1990er‑Jahren die nordmexikanische Stadt Ciudad Juárez zum traurigen Symbol wurde. Besonders eindrücklich ist ein Interview mit Norma Andrade, der Mitbegründerin einer mexikanischen Frauenrechtsorganisation, die sich für die Aufklärung der vielen ungeklärten Frauenmorde einsetzt. Die Opfer, so schildert sie, sind meist junge Frauen; sie werden „vergewaltigt, gefoltert und anschließend wie Müll weggeworfen – in die Wüste, in Straßengräben, in Mülltonnen. Die Behörden behandeln die Opfer als Nummern, als statistische Größen. […] Wegen solch schmerzlicher Erfahrungen mussten wir den Kampf beginnen, doch er interessiert die mexikanische Regierung nicht im Geringsten. Ich frage mich, wie viele weitere Frauen ermordet werden müssen, damit staatliche Akteure endlich anerkennen, dass geschlechtsspezifische Gewalt existiert.“ (59)
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.65 | 2.22 | 2.262 | 2.25 | 2.27 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: oekom e. V. – Verein für ökologische Kommunikation (Hrsg.): Lateinamerika. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36561-lateinamerika_44632, veröffentlicht am 02.01.2014. Buch-Nr.: 44632 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken