
Lateinamerika: Ein (un)sicherer Kontinent?
Das Thema Sicherheit hat in Südamerika an Bedeutung gewonnen, so die Herausgeber des Sammelbandes. Daniel Flemes, Detlef Nolte und Leslie Wehner untersuchen beispielsweise den Verteidigungsrat der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), der im europäischen Diskurs bisher weitgehend unbekannt geblieben ist. Es handelt sich bei dieser Institution um eine außensicherheitspolitisch motivierte Gründung südamerikanischer Staaten, die u. a. das Ziel verfolgt, die Vereinigten Staaten von Amerika und andere internationale Bündnisse aus regionalen Sicherheitsfragen auszuschließen. Und wenn auch die individuellen Mitgliedsnationen um die Frage stritten, wie weit dieser Außensicherheitsverbund auch zur Identitätsbildung oder weitergehenden Institutionalisierung beitragen dürfe, um möglicherweise eine vertiefende Integration zu bewirken, so bleibe doch ein positiver Gesamtbeitrag des Verteidigungsrates zur regionalen Sicherheit festzustellen. Dass die Außensicherheit nur Teil eines wesentlich komplexeren Geflechts von Sicherheiten ist, zeigt Andreas Boeckh mit seiner Untersuchung der Sicherheitssituation in Venezuela. Die regionale Sicherheit sei mit der transnationalen, der staatlichen und der öffentlichen Sicherheit aufs Engste verschränkt. Wenn, wie geschehen, grenzüberschreitende Konflikte Venezuelas mit Kolumbien, ein „manichäisches Bild der Politik“ (185) politischer Klassen und eine Entwicklungskooperation mit dem Iran zusammenkommen, dann sei die Zukunft der Sicherheit dieses Landes mit einem Fragezeichen zu versehen. Die Autoren dieses Bandes, in dem Beiträge zu den Weingartener Lateinamerikagesprächen 2010 versammelt sind, ziehen insgesamt einen weiten Sicherheitsbegriff zur Bündelung ihrer Studien heran und betrachten unter diesem Rubrum ebenfalls Migrationspolitik, Drogenökonomie und Kriminalität. Dadurch entsteht für den interessierten Leser ein eindrücklicher Überblick der Sicherheitssituation in Südamerika.