Skip to main content
Christiane Schenderlein

Landesvertretungen im Entscheidungsprozess der Europäischen Union

Marburg: Tectum Verlag 2015; X, 323 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-8288-3566-5
Politikwiss. Diss. Halle‑Wittenberg; Begutachtung: E. Holtmann, S. S. Schüttemeyer. – Die Büros, mit denen die deutschen Bundesländer seit etwa 1986 in Brüssel und damit auf der europäischen Ebene präsent sind, haben vor allem zwei Aufgaben. Sie sind Auge und Ohr der Landesregierungen und sie repräsentieren die Länder in einer Gemengelage, die dem Anspruch eines Europas der Regionen bedingt entspricht. Obwohl ihre Existenz, ihre Arbeitsweise und ihr Selbstverständnis eigentlich zu einer näheren Betrachtung einladen, ist das Schrifttum übersichtlich. Diese Lücke will nun Christiane Schenderlein, Stipendiatin der Hanns‑Seidel‑Stiftung und Referentin im Deutschen Bundestag, schließen. Dass Schenderlein dabei an den Posten des Länderbeobachters anknüpft, ist folgerichtig und doch ernüchternd. Im Kern ist es bei der Berichterstattung an die jeweilige Landesregierung geblieben, eigene Gestaltungskompetenzen sind marginal und somit zu vernachlässigen. Von daher liegt der Schwerpunkt der Analyse auf den Arbeitsweisen der Landesvertretungen, die Schenderlein durch umfangreiche Experteninterviews hinterfragt und nachvollzieht. Diese sind denn auch der eigentliche Gewinn der Arbeit, da der gewählte und sicherlich bewährte Principal‑Agent‑Ansatz hier nur bedingt weiterhilft, weil die Autorin die Option des Bundesrates oder die hier ebenfalls relevanten informellen Arbeitsgruppen und Europa‑AGs der Länder allenfalls streift. Seltsamerweise äußert offenbar keiner der Experten eine Kritik an der Befristungspraxis, mit denen die Länder die ohnedies schwierigen Abordnungen aus den Länderministerien nach Brüssel noch zusätzlich belasten. Schenderlein verortet das Problem also völlig korrekt bei der Frage nach der Europafähigkeit der Landesregierungen. Eigentlich müsste die in Brüssel erlangte Expertise (un)mittelbar in die Politikprozesse der heimischen Staatskanzleien einfließen. Das ist aber nicht der Fall. Nicht einmal die personelle Ausstattung entspricht der angeblichen Bedeutung Europas, sind die Büros doch in der Regel kleiner – weil unbedeutender – als ihre Pendants in Berlin. Wer mitreden will, muss in Brüssel Flagge zeigen. Da ist noch einiges zu tun.
{MAS}
Rubrizierung: 3.13.74.212.325 Empfohlene Zitierweise: Martin Schwarz, Rezension zu: Christiane Schenderlein: Landesvertretungen im Entscheidungsprozess der Europäischen Union Marburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39425-landesvertretungen-im-entscheidungsprozess-der-europaeischen-union_48027, veröffentlicht am 18.02.2016. Buch-Nr.: 48027 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken