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Joachim Jesko von Puttkammer / Gabriella Schubert (Hrsg.)

Kulturelle Orientierungen und gesellschaftliche Ordnungsstrukturen in Südosteuropa

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2010 (Forschungen zu Südosteuropa 4); 253 S.; brosch., 54,- €; ISBN 978-3-447-06243-5
Für die Beurteilung gesellschaftlicher und politischer Entwicklungsprozesse und Modernisierungshindernisse auf dem Balkan werden häufig kulturelle Faktoren herangezogen. „Wie aber lässt sich die kulturelle Dimension gesellschaftlichen Wandels in Südosteuropa in den Blick nehmen, ohne sich den Vorwurf postkolonialer Überheblichkeit einzuhandeln?“ (8) Diese Frage bildete den Ausgangspunkt eines 2006 in Jena und Erfurt eingerichteten interdisziplinären Graduiertenkollegs. Mit dem Ansatz, die kulturelle Andersartigkeit einer Region nicht vorauszusetzen, sondern sie überhaupt erst zum Forschungsgegenstand zu machen, untersuchen die Autoren Alltagsmuster und gesellschaftliche Leitbilder sowie deren Bedeutung für ein multiethnisches und multireligiöses Zusammenleben. Neben sprach-, kultur-, religions- und geschichtswissenschaftlichen Beiträgen, in denen es beispielsweise um literarische und gesellschaftliche Leitbilder, um die orthodox-christliche Tradition im Lichte kollektiver Ideale oder um die Verarbeitung von Kriegserfahrungen geht, finden sich zwei politikwissenschaftliche Aufsätze. Heinz-Jürgen Axt untersucht die Chancen zur Konfliktbeilegung und Friedenssicherung durch staatliche Kooperation und Integration. Mit dem Föderalismus und dem neofunktionalistischem Ansatz der Kooperation von Staaten im Bereich gemeinsamer Interessen skizziert er zwei Möglichkeiten, warum Staaten bereit sein könnten, einen Teil ihrer Hoheitsrechte abzutreten. Da die ehemals sozialistischen Staaten jahrzehntelang unter dem Verlust ihrer Souveränität gelitten haben, würden föderale Ideen in Südosteuropa auf wenig Akzeptanz stoßen, schreibt Axt. Eine Alternative sieht er im Neofunktionalismus, den er am Beispiel der 2005 gegründeten Energie-Gemeinschaft zwischen der EU und acht südosteuropäischen Staaten illustriert. Die Energie-Kooperation könne „als ein ‚Trainingslager’ für europäische Integration“ (157) verstanden werden. Mit den Ursachen und der Dynamik der seit der Wende von 1989 entstandenen Protestkultur in Ungarn beschäftigt sich Máté Szabó und reflektiert diese – unter Rückgriff auf Dahrendorf – im weiteren Zusammenhang der Entstehung und Konsolidierung einer Zivilgesellschaft.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.23 | 2.61 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Joachim Jesko von Puttkammer / Gabriella Schubert (Hrsg.): Kulturelle Orientierungen und gesellschaftliche Ordnungsstrukturen in Südosteuropa Wiesbaden: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32994-kulturelle-orientierungen-und-gesellschaftliche-ordnungsstrukturen-in-suedosteuropa_39410, veröffentlicht am 04.01.2011. Buch-Nr.: 39410 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken