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Dierk Spreen / Trutz von Trotha (Hrsg.)

Krieg und Zivilgesellschaft

Berlin: Duncker & Humblot 2012 (Soziologische Schriften 84); 440 S.; kart., 75,90 €; ISBN 978-3-428-13206-5
Dierk Spreen und Trutz von Trotha knüpfen einleitend ihr Verständnis von Zivilgesellschaft an einen Zivilisierungsprozess, in dessen Verlauf die Gewalt als Austragungsmodus von Konflikten zurückgedrängt wird. Gespiegelt werde diese Entwicklung von zunehmender Verhöflichung der Gesellschaft, die Gewalt werde zur Randerscheinung und als Ausnahme demarkiert. Dass allerdings der Begriff der Zivilgesellschaft aus der Civil Society übersetzt ist und diese ihrerseits aus der bürgerlichen Gesellschaft Hegel’scher Überlegungen herrührt, wird mit Blick auf die Gewaltverhältnisse, die in dieser enthalten sind, unterschlagen. Jedoch verankern die Autoren in den folgenden Beiträgen die Zivilisierung in der wesentlichen Aufgabe staatlich verfasster Gesellschaften – in der Gewalteindämmung. Dass dazu transformierte, gewissermaßen verklausulierte Formen der Gewalt nötig sein können, ist dabei von untergeordnetem Interesse. Es wird dafür gezeigt, dass Herrschaftsordnungen praktisch mit Sinn aufgeladen werden oder ihn verlieren, indem zwischen legitimer und illegitimer Gewalt unterschieden wird. Dabei, so zeigt sich in den Beiträgen weiter, ist die Legitimität keine, die formalen Institutionalisierungen automatisch zu folgen bereit ist, sondern sie ist gesellschaftlich – und damit meist parallel zu den Konflikten – konstituiert. Wo der Krieg zu einem politisch motivierten, kleinen Krieg von endemischer Gewalt wird, in dem keine Seite entscheidend gewinnen kann, verschwimmt auch in oft so bezeichneten Nachkriegsgesellschaften die Unterscheidung zwischen Frieden und Krieg, sodass sie bestenfalls „Waffenstillstandsgesellschaften“ (Trutz von Trotha, 409) sein mögen. Beide sind sie Übergangsgesellschaften, deren beschränkte Erwartungssicherheit in politischer, ökonomisch‑sozialer und identitärer Hinsicht und angesichts unbewältigter und damit stets gegenwärtiger Vergangenheit nur prekäre Friedenszustände erlaubt – und die Analytiker vor große Prognoseschwierigkeiten stellt. Probleme, diesen Überlegungen zu folgen und die dargelegten Konzepte fruchtbar zu machen, werden die Leserinnen und Leser nicht haben, zeichnet diesen Band doch eine verständliche Darstellung aus, die Schule machen sollte. Als Einführung ist er damit ebenso geeignet wie als Hinweis auf verschiedene, noch zu erschließende Forschungsfelder.
Florian Peter Kühn (KÜ)
Dr., M. P. S., wiss. Mitarbeiter, Institut für Internationale Politik, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 2.35 | 2.67 | 4.41 | 4.44 Empfohlene Zitierweise: Florian Peter Kühn, Rezension zu: Dierk Spreen / Trutz von Trotha (Hrsg.): Krieg und Zivilgesellschaft Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36077-krieg-und-zivilgesellschaft_43273, veröffentlicht am 15.08.2013. Buch-Nr.: 43273 Rezension drucken