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Ekaterina Makhotina / Ekaterina Keding / Włodzimierz Borodziej / Etienne François / Martin Schulze Wessel (Hrsg.)

Krieg im Museum. Präsentation des Zweiten Weltkriegs in Museen und Gedenkstätten des östlichen Europa

Göttingen u. a.: Vandenhoeck & Ruprecht 2015 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 131); 376 S.; 69,99 €; ISBN 978-3-525-37309-5
Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist auch siebzig Jahre nach Kriegsende noch stark von nationalen Narrativen geprägt. Die Geschichtswissenschaft hat sich in den vergangenen Jahren diesen unterschiedlichen Erzählsträngen intensiv gewidmet (siehe etwa Buch‑Nr. 42816). Ihre musealen Darstellungen und die Rolle von Museen in Erinnerungsdiskursen allgemein wurden hingegen eher selten thematisiert. Eine systematisierende Zusammenschau strebte zwischen 2008 und 2012 das am Münchener Collegium Carolinum angesiedelte Projekt „Musealisierung der Erinnerung“ mit Blick auf das östliche Europa an. Die Beiträge des Bandes beruhen auf dessen Ergebnissen. Die 14 Fallstudien – ergänzt um drei thematisch übergreifende Artikel – lassen einige Grundmuster erkennen: Nur noch vereinzelt beruhen Ausstellungsprojekte so deutlich auf klassischen, sowjetisch gefärbten Heldenerzählungen, wie das Ekaterina Keding und Christian Ganzer für verschiedene Museen in Belarus konstatieren (siehe auch Buch‑Nr. 45556). Gerade auf lokaler und regionaler Ebene werden demgegenüber vermehrt Momente von Versöhnung und Opfergedenken ventiliert, so Ekaterina Melnikova mit Blick auf Einrichtungen in der Region um den Ladogasee in Nordwestrussland. Zentrales Bezugsmoment solcher opferzentrierter Darstellungen ist der Holocaust, wobei entsprechende Bezugnahmen wiederum in nationale spezifische Debatten eingebettet sind. Regina Fritz zeigt dies am Beispiel Ungarns, wo zwei Interpretationsangebote konkurrieren – eines, das die „Präzedenzlosigkeit des Holocaust“ und die „Mitverantwortung an der Ermordung der ungarischen Juden“ (224) anerkennt, und eines, das die gesamte ungarische Nation in ein Opfernarrativ einordnet. Zu den wichtigsten Orten des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg gehören die ehemaligen Konzentrations‑ und Internierungslager. Eine in Deutschland gelegene Einrichtung wie Dachau bildet laut Barbara Distel eine „weltweit anerkannte Institution […] europäischer Zeitgeschichte“ (294). Orte wie Treblinka und Chełmno hingegen, so Piotr M. Majewski, „gehören immer noch zu den vergleichsweise ‚vergessenen‘ Orten der Judenvernichtung“ (311) und wirken eher lokal beziehungsweise regional. Die „lebendige Vielfalt“ (367) der ost(mittel)europäischen Museumslandschaften einem deutschsprachigen Publikum bekannt(er) zu machen, ist entsprechend ein wichtiges Verdienst des Bandes.
{MUN}
Rubrizierung: 2.232.3124.12.612.622.35 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Ekaterina Makhotina / Ekaterina Keding / Włodzimierz Borodziej / Etienne François / Martin Schulze Wessel (Hrsg.): Krieg im Museum. Göttingen u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39176-krieg-im-museum_47477, veröffentlicht am 10.12.2015. Buch-Nr.: 47477 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken