Kosakenmythos und Nationsbildung in der postsowjetischen Ukraine
Geschichtswiss. Diss. Konstanz; Gutachter: B. Pietrow-Ennker, F. Golczewski. – Ein kosakischer Held auf einem Geldschein, als Reklamefigur auf Wodkaflaschen und Schokoriegeln – der Mythos des Kosakentums scheint tief in den ukrainischen Alltag eingedrungen zu sein. Bürgers untersucht die verschiedenen Mythosmanifestationen auf ritueller, sprachlicher und visueller Ebene und erklärt die Popularität des Kosakentums damit, das es für die Unabhängigkeitsbewegung das Vehikel gewesen sei, um ihren Wunsch nach nationaler Selbstbestimmung auszudrücken. Mit der Unabhängigkeit 1991 habe sich das Land mit seiner uneinheitlichen Struktur in konfessioneller, ethnischer, kultureller, sprachlicher und politischer Hinsicht konfrontiert gesehen. Das Kosakentum stelle zwar nur einen Teil der ukrainischen Geschichte und Erinnerungskultur dar, habe aber als Modell aktueller Identitätsstiftung dienen können. Erinnert worden sei an die Selbstlosigkeit der Kosaken, ihre Demut, ihre hohe Geistigkeit und Moral. Allerdings habe sich das „Phänomen Kosakentum“ mit der Zeit „mit immer neuen Werten und Inhalten“ (297) gefüllt. Auch sei es zu paradoxen Überschneidungen gekommen, als sich Nationalisten wie Kommunisten in ihren politischen Programmen auf die Kosaken berufen hätten. Dennoch (oder gerade deswegen) sei das Kosakentum in den verschiedenen Manifestationen seines Mythos die Verkörperung der ukrainischen Nation, schreibt Bürgers. Es sei allerdings eine Abnutzung der historischen Motive und Symbole – siehe die oben genannte Werbung – zu beobachten.