Skip to main content
Michael Zeuske

Kleine Geschichte Venezuelas

München: C. H. Beck 2007 (Beck'sche Reihe 1745); 208 S.; 12,90 €; ISBN 978-3-406-54772-0
Auf äußerst informative Weise erläutert Zeuske, Professor für iberische und lateinamerikanische Geschichte in Köln, die politischen Entwicklungen in Venezuela von der Herrschaft der Welser über den Unabhängigkeitskampf Simón Bolívars bis zur gegenwärtigen Präsidentschaft von Chavéz. Und tatsächlich wird dessen Politik im Kontext der Geschichte verständlicher. Zeuske beschreibt, wie sich bereits in der frühen Kolonialgesellschaft ein informelles Herrschaftssystem durchsetzte, unter anderem geprägt von Korruption, Nepotismus, Klientelismus und der „interessengeleitete[n] Anwendung oder Hintertreibung aller existierenden Gesetze“ (39). Dargestellt werden die Machtkämpfe und eine politische Kultur, in der „so etwas wie eine historische Gewöhnung an Gewalt“ (51) existiert. Hervorgehoben werden die großen politischen Versäumnisse wie die lange nur halbherzige Abschaffung der Sklaverei und das „Unterlassen einer wirtschaftlichen Demokratisierung des Landesbesitzes“ (64) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dazu gesellte sich eine weitere Entwicklung: „Jeder der von den Eliten aufgrund von militärischen Fähigkeiten oder wegen Masseneinflusses gewählte ‚Chef Venezuelas‘ gewöhnte sich schnell an die Macht.“ (105) Zudem bildete sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts das Modell eines autoritären „Renten“-Staates heraus, finanziert durch Erdölsteuern. In den siebziger Jahren sei das Land schließlich eine „atypische Demokratie zwischen Kapitalismus, Pragmatismus und einer Art Staatssozialismus“ gewesen. Vor dem Hintergrund dieser langen Entwicklung kommt Zeuske zu einer differenzierten Einschätzung von Chávez und kann einiges an Aufregung nicht verstehen: „Es ist schon erstaunlich, auf wie viel Angst und Gegenwehr man stößt, wenn der Regierungschef mit Zustimmung der Mehrheit der Menschen öffentliche Gelder für Sozialmaßnahmen [...] verwenden lässt, den riesigen informellen Sektor [...] zu legalisieren versucht [...], einen Staatskonzern der Regierungskontrolle unterwirft und für eine gerechte Landverteilung sorgt“ (185).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.65 | 2.1 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Michael Zeuske: Kleine Geschichte Venezuelas München: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27533-kleine-geschichte-venezuelas_32294, veröffentlicht am 03.12.2007. Buch-Nr.: 32294 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken