Ist Kinderarmut in Deutschland ein Mythos? Immerhin verfügen die 7- bis 14-Jährigen jedes Jahr über eine direkte Kaufkraft von 11,5 Milliarden Mark (59). Und in einer Zeit, in der weltweit 18 Millionen Menschen jährlich verhungern, ist es nach Ansicht des Wirtschafts- und Sozialstatistikers Walter Krämer "hochgradig pervers" (63), einen Jugendlichen deswegen als "arm" zu bezeichnen, weil er keine "Diesel"-Lederjacke oder keine "Nike"-Turnschuhe besitzt. Zu einem anderen Bild kommen die Autoren. Ihr Sammelband ist im Umfeld eines Forschungsprojektes entstanden, das vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung gefördert wird. Den Ergebnissen nach ist Kinderarmut "kein neuartiges, wohl aber ein sich verschärfendes Problem, von dem zunehmend auch Jugendliche (14 bis 17 Jahre) betroffen sind" (34). Jedes fünfte Kind unter 15 Jahren wächst so auf, dass seine "Chancengleichheit in der Gesellschaft nachhaltig beeinträchtigt" (61) sein kann. Die Autoren richten ihre Aufmerksamkeit dabei nicht auf die "Markenklamotten", sondern zum Beispiel auf die erhöhte Gewaltbereitschaft sozial benachteiligter Jugendlicher oder die Einschränkungen beim Bildungserwerb. Dabei wird aber betont, dass die negativen Auswirkungen von Armut einen "Möglichkeitscharakter" (151) besitzen und keinesfalls zwangsläufig sind. Und mit einer gezielten Arbeitsmarkt- und Familienpolitik lasse sich diesen negativen Auswirkungen entgegenwirken. "Die immer wieder proklamierte Chancengleichheit im Bildungsbereich" (170) könne von der Konjunkturentwicklung und der sozialen Herkunft des Kindes unabhängiger gemacht werden. Inhalt: (Kinder-)Armut, Reichtum und Generationen(un)gerechtigkeit: Hintergründe - Zusammenhänge - Wechselwirkungen: Friedhelm Hengsbach: Gerechtigkeit ist nicht nur ein Wort (11-24); Irene Becker / Richard Hauser: Zur Entwicklung von Armut und Wohlstand in der Bundesrepublik Deutschland - eine Bestandsaufnahme (25-41); Ernst-Ulrich Huster: Kinder zwischen Armut und Reichtum (43-55). "Generationengerechtigkeit" als Ideologie und/oder Leitlinie der Sozialpolitik? Christoph Butterwegge / Michael Klundt: Die Demografie als Ideologie und Mittel sozialpolitischer Demagogie? Bevölkerungsrückgang, "Vergreisung" und Generationengerechtigkeit (59-80); Norbert Reuter: Generationengerechtigkeit als Richtschnur der Wirtschaftspolitik? (81-98); Thomas Ebert: Beutet der Sozialstaat die Familien aus? - Darstellung und Kritik einer politisch einflussreichen Ideologie (99-111). Erscheinungsformen, Auswirkungen und Folgen von Kinderarmut: Jürgen Mansel: Lebenssituation und Wohlbefinden von Jugendlichen in Armut (115-136); Roland Merten: Psychosoziale Folgen von Armut im Kindes- und Jugendalter (137-151); Andreas Lange / Wolfgang Lauterbach / Rolf Becker: Armut und Bildungschancen. Auswirkungen von Niedrigeinkommen auf den Schulerfolg am Beispiel des Übergangs von der Grundschule auf weiterführende Schulstufen (153-170). Sozialpolitische, familienpolitische und pädagogische Gegenmaßnahmen: Detlef Baum: Armut und Ausgrenzung von Kindern: Herausforderung für eine kommunale Sozialpolitik (173-188); Gerd Iben: Die Förderung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher als Beitrag zur Generationengerechtigkeit (189-199); Ellen Esen: Über Armut reden! - Pädagogisch-didaktisches Material zum Thema "(Kinder-)Armut" für Schule und Weiterbildung (201-212); Brigitte Stolz-Willig: Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit oder: Familienarbeit neu bewerten - aber wie? (213-223); Christoph Butterwegge: Familie und Familienpolitik im Wandel (225-242).