Politikwiss. Diss. TU Chemnitz; Begutachtung: A. Söllner, H. Bluhm. – Mit der diskutierten Rückkehr der Religionen und einer neuerlichen Schmitt-Rezeption geraten auch fast vergessene Autoren wie Waldemar Gurian wieder stärker in das Blickfeld – Theoretiker des Totalitarismus und persönlicher Freund-Feind des Kronjuristen Carl Schmitt sind die politisch-biografisch-wissenschaftlichen Assoziationen, die das Bild des früh verstorbenen, katholisch geprägten, russisch-deutsch-amerikanischen Politikwissenschaftlers ausmachen. Unter Auswertung der Schriften, aber auch des Briefwechsels hat Thümmler eine Werkanalyse verfasst, die „Gurian als besonderen intellektuellen Typus im 20. Jahrhundert [entwirft]“ (20) – von der Promotion zur „Jugendbewegung“ bei Max Scheler über Analysen zu Jacques Maritain und Carl Schmitt sowie den Studien zu Bolschewismus und Faschismus bis zu seinen Arbeiten während seiner Jahre an der katholischen Universität Notre Dame in Indiana. „Ganz im Sinne Hannah Arendts ist Gurian ein Intellektueller, der mit seinen Positionen in eine Öffentlichkeit tritt und sie als politisches Handlungs- und Reflexionsmedium gebraucht. Neben dem Begriff der Politisierung gewinnt Gurian den des secularism als bestechend für seine Gegenwart“ (246). Gurian wird damit – ähnlich wie Otto Kirchheimer in der Studie von Frank Schale (siehe Buch-Nr. 31350) – wieder als einer der Persönlichkeiten deutlich, denen es gelang, die zentralen politischen Krisen ihrer Zeit luzide auf den Begriff zu bringen. Freilich setzt das ein integratives und geisteswissenschaftliches Verständnis von Politikwissenschaft jenseits der engen Politikfeldanalyse voraus, das mit Geschichte, Philosophie, Soziologie und Recht ebenso vertraut ist wie mit dem Essay des Feuilletons. Und so blieb auch Gurian Zeit seines Lebens als „Wissenschaftler Schriftsteller“ (246).