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Uta Andrea Balbier

Kalter Krieg auf der Aschenbahn: Der deutsch-deutsche Sport 1950-1972. Eine politische Geschichte

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2007 (Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart); 277 S.; 32,90 €; ISBN 978-3-506-75616-9
Diss. Potsdam; Gutachter: C. Kleßmann, C. Eisenberg. – „Die DDR war also leistungsstärker, effizienter und erfolgreicher als ihr westdeutscher Konkurrenzstaat – zumindest bei den XX. Olympischen Sommerspielen“ (11), schreibt Balbier. Auf den protokollarischen (zwanzig Mal erklang „Auferstanden aus Ruinen“) und leistungssportlichen Triumph 1972 in München habe die DDR seit Beginn der fünfziger Jahre systematisch hingearbeitet. Der Sport sollte der Repräsentation der Eigenstaatlichkeit dienen und sei deshalb (außen-)politischen Zielen unterworfen worden. Diese Auffassung, der Sport habe auch politischen Zielen zu dienen, sei keine Erfindung der DDR gewesen, sondern schon im 19. Jahrhundert von Turnvater Jahn propagiert worden. Unter dem Eindruck dieser gezielten politischen Instrumentalisierung im östlichen Teilstaat habe sich auch in der Bundesrepublik die Überzeugung durchgesetzt, „dass es sich beim sportlichen Wettkampf um eine Teilkonkurrenz der übergeordneten Systemauseinandersetzung handele“ (13). Balbier analysiert diese deutsch-deutsche Sportgeschichte bis 1972 anhand der Kategorien Verflechtung, Abgrenzung und Konkurrenz und beschreibt damit einen Bereich, der aus dem sonstigen Verhältnis der beiden Staaten herausfällt. Unter dem Eindruck der Systemkonkurrenz sei der Sport im Westen nicht nur auf Augenhöhe mit Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur positioniert worden. Um konkurrenzfähig zu bleiben, habe der bundesdeutsche Sport „strukturelle Effizienzmechanismen aus dem DDR-Leistungssport“ (13) übernommen. Balbier erklärt dies mit gemeinsamen sportlichen Traditionen und ähnlichen Herausforderungen im internationalen Spitzensport. Ein unpolitischer Sport, wie er eigentlichen in der Bundesrepublik als bewusster Neuanfang und in Angrenzung vom Dritten Reich angestrebt worden war, blieb damit unerreicht.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.313 | 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Uta Andrea Balbier: Kalter Krieg auf der Aschenbahn: Der deutsch-deutsche Sport 1950-1972. Paderborn u. a.: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/26373-kalter-krieg-auf-der-aschenbahn-der-deutsch-deutsche-sport-1950-1972_30730, veröffentlicht am 16.08.2007. Buch-Nr.: 30730 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken