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Jörg Gertel / Rachid Ouaissa (Hrsg.)

Jugendbewegungen. Städtischer Widerstand und Umbrüche in der arabischen Welt

Bielefeld: transcript Verlag 2014 ; 399 S. ; kart., 19,99 €; ISBN 978-3-8376-2130-3
Die Stimmen der arabischen Jugendlichen und die Frage nach ihrer Identität stehen im Mittelpunkt des Sammelbands. „Die Lebenswelten der Jugendlichen im urbanen Raum der arabischen Welt sind zwischen Alltag und Widerstand weit gespannt“ (13) – diese Kernaussage belegen die Autorinnen und Autoren in ihren Aufsätzen. Johannes Frische etwa sieht die tunesische Jugend zwischen „prekärem Alltag und kollektiver Mobilisierung“ (98). Unter dem Regime Ben Alis kam es laut Frische zu einer „Entfremdung zwischen den Generationen“ (100), die Jugendlichen hatten besonders unter Alltagsrepressalien wie der Internetzensur und der Überwachung des öffentlichen Raumes zu leiden. Auch der Arbeitsplatzmangel betraf die Jugend überproportional, wodurch viele von ihnen gezwungen waren, in den informellen Sektor auszuweichen, was neue Unsicherheiten erzeugte. So wundert es nicht, dass die ersten Unruhen von „prekarisierten Jugendlichen aus ökonomisch schwachen Familien, die trotz ihrer Bildungsabschlüsse keine Arbeit fanden“ (106), ausgingen, bevor sich die Mittelschicht anschloss und das Internet als Schauplatz neben der Straße etablierte. Trotz unterschiedlicher Interessen gelang den jungen Erwachsenen eine kollektive Mobilisierung. Auch Anne‑Linda Amira Augustin untersucht, „wie Jugendliche, während sie tagtäglich mit dem Erwachsenwerden, Armut und Ausschluss kämpfen, neue Vorstellungen von Staat und Staatlichkeit sowie Heimat und nationaler Identität verhandeln“. Sie konzentriert sich dabei auf die südjemenitische Stadt Aden als „wichtige Arena des Widerstands“ (247). Armut, Arbeitslosigkeit, eine brachliegende Wirtschaft, Flüchtlingsströme und Terrorismus prägen heute die Stadt, die einstmals „ökonomische Metropole des britischen Empires“ (253) war. Die Jugendlichen beklagen öffentlich ihre fehlenden Zukunftsperspektiven, besonders im Vergleich mit der nordjemenitischen Bevölkerung. Die Unabhängigkeit vom Norden erscheint ihnen als einzige Hoffnung und damit als einziges Ziel, weshalb ihre Bewegung als politischer und geschlossener wahrgenommen wird als die Proteste in anderen Staaten. Der Sammelband bietet intensive Einblicke in die Lebenswelten der arabischen Jugend und ermöglicht ein tieferes Verständnis der Hintergründe des Arabischen Frühlings.
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Rubrizierung: 2.632.252.232.222.67 Empfohlene Zitierweise: Simone Winkens, Rezension zu: Jörg Gertel / Rachid Ouaissa (Hrsg.): Jugendbewegungen. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38056-jugendbewegungen_43562, veröffentlicht am 12.02.2015. Buch-Nr.: 43562 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken