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Ted Widmer (Hrsg.)

John F. Kennedy. Die geheimen Aufnahmen aus dem Weissen Haus

Hamburg: Hoffmann und Campe 2012; 380 S.; geb., 24,99 €; ISBN 978-3-455-50279-4
„Die Bänder sind nicht für die Öffentlichkeit aufbereitet oder überhaupt für sie bestimmt, sondern sie sind einfach historisches Rohmaterial“ (26), erläutert der Historiker Ted Widmer einleitend. Der US-Präsident John F. Kennedy hatte heimlich Gespräche im Oval Office und im Kabinettsaal sowie seine Telefonate aufzeichnen lassen, außerdem diktierte er wiederholt seine Gedanken zu politischen Ereignissen. Er war nicht der erste und letzte Präsident, der Aufnahmen machte, nutzte dies aber umfangreich – 265 Stunden Bandaufzeichnungen sind in der Kennedy Presidential Library archiviert. Seit 1973 ist ihre Existenz bekannt, 1983 wurden die ersten Bänder Historikern zur Verfügung gestellt. Seit 2012 sind die Aufnahmen allgemein zugänglich und können über das Internet abgerufen werden. Es ist faszinierend, hineinzulauschen – aber die Tonqualität ist oft so schlecht, dass kaum etwas zu verstehen ist. Mit diesem Buch nun wird eine transkribierte Auswahl zu sieben Themenkomplexen vorgestellt, in die Widman jeweils kurz einleitet. Aus Sicht eines deutschen Publikums, das nicht mit allen Details der US-amerikanischen Zeitgeschichte vertraut ist, hätten diese Einleitungen zumindest teilweise sicher etwas ausführlicher ausfallen dürfen. Hilfreich sind aber auf jeden Fall die Fußnoten, in denen erläutert wird, mit wem genau Kennedy gerade spricht. Schnell gewinnt man bei der Lektüre einen Eindruck davon, was Kennedy so besonders machte – zu hören bzw. zu lesen ist ein innovativ denkender, moderner Politiker, der alten Dogmen geradezu mit Widerwillen begegnete. So stellte er sich im Kampf um die Bürgerrechte auf die Seite der Menschen mit schwarzer Hautfarbe, obwohl ihn dies die Zustimmung vieler weißhäutiger Wähler kostete. Auch ließ er sich nicht von seinen Generälen zu einem atomaren Erstschlag als Antwort auf die Stationierung sowjetischer Raketen in Kuba provozieren – Kennedy bestand auf einer politischen, in die Zukunft weisenden Lösung. Damit eröffnet wurde zugleich der Weg zu einem Abkommen über das Verbot von Atomwaffentests. Sicher bergen diese Aufnahmen keine Überraschungen, aber sie ermöglichen einen unmittelbaren Einblick in Auseinandersetzungen, Positionsbestimmungen und Zweifel. Bereits in seinem 1957 veröffentlichten Buch „Profiles in Courage“ habe Kennedy geschrieben, zitiert ihn Widmer, dass die Politik ein Bereich sei, „‚wo man sich ständig zwischen zwei Fehlern entscheiden muss’“ (305) – als Präsident habe er diesen Gedanken sicher noch im Kopf gehabt. Bei der Lektüre der Aufzeichnungen gewinnt man aber doch den Eindruck, dass es in der Politik „richtig“ und „falsch“ gibt.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.64 | 2.1 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Ted Widmer (Hrsg.): John F. Kennedy. Hamburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35626-john-f-kennedy_42992, veröffentlicht am 13.12.2012. Buch-Nr.: 42992 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken