Skip to main content
Vandana Shiva

Jenseits des Wachstums. Warum wir mit der Erde Frieden schließen müssen. Aus dem Englischen von Antje Papenburg

Zürich: Rotpunktverlag 2014 (Organic 27); 271 S.; brosch., 19,90 €; ISBN 978-3-85869-593-2
Dass die Vorstellung linearen Wachstums auf einem mit begrenzten Ressourcen ausgestatteten Planeten vielleicht keine so gute Idee ist, gehört in seriöseren politischen und ökonomischen Kreisen mittlerweile und zum Glück zum etablierten Common Sense. Vandana Shiva, indische Wissenschaftlerin und Frauenrechtlerin, findet in ihrem Buch, ausgehend von einem ganzheitlichen Verständnis von Mensch und Umwelt, deutliche Worte für einen globalen Kapitalismus, der diesen Common Sense nach wie vor nicht teilen mag. „Der Krieg gegen die Erde hat seine Wurzeln in einer Ökonomie, die die ökologischen und ethischen Grenzen nicht anerkennt – grenzenlose Ungleichheit und Ungerechtigkeit also, und auch grenzenlose Habgier und wirtschaftliche Konzentration.“ Ob es für eine solche – wenn auch in selten deutlicher Sprache formulierte – Gegenwartsdiagnose noch eines weiteren Buches bedurft hätte, ist die eine Frage. Die andere wäre, wie denn auf eine solche Gegenwartsdiagnose angemessen reagiert werden könnte. Shiva sieht für die augenblickliche „Öko‑Apartheit“ (11), in der die „Erde durch den Fleischwolf gedreht“ (252) wird und die „Menschheit sich am Rande des Abgrundes befindet“ (257), nur einen Ausweg, nämlich den eines fundamentalen Wandels. Der wiederum müsste so facettenreich sein, dass er sich kaum in einfache Formeln gießen lässt, ohne der Idee des Wandels Unrecht zu tun. Die Erde selbst müsse, so Shiva, als ein lebendiges Allgemeingut begriffen werden, das eben nicht nur kalte Materie oder Ressource sei. Neben dieser Personifizierung der Erde geht es um ein vertiefteres Verständnis des guten Lebens, jenseits gesteigerter Konsumwünsche, mit mehr Integration, mehr echter Freiheit, mehr kultureller Selbstbestimmung und mehr lokaler Verwurzelung. Das alles mag sich wie eine Antiglobalisierungsagenda lesen und sicherlich wird Shiva den einen oder anderen Punkt noch deutlicher formulieren müssen, wie genau der von ihr propagierte Wandel tatsächlich gestaltet werden kann – wenn denn angesichts des gegenwärtigen Zerstörungsgrades des Planeten überhaupt noch etwas zu gestalten bleibt. Dass dabei die schablonenartige Konfrontation zwischen demokratischer Teilhabe und privatwirtschaftlicher Unterdrückung allzu grob geraten ist, dürfte auch ihr klar sein. Indes, allein die Problemlagen deutlich und differenziert benannt zu haben, ist eine nicht hoch genug einzuschätzende Leistung.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.454.432.1 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Vandana Shiva: Jenseits des Wachstums. Zürich: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37306-jenseits-des-wachstums_45634, veröffentlicht am 17.07.2014. Buch-Nr.: 45634 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken