Den 1970er‑Jahren wird in der Zeitgeschichtsforschung seit einiger Zeit verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. In dieser Publikation, die auf eine Konferenz in Como im November 2011 zurückgeht, fragen die Autorinnen und Autoren nach Methoden und Konzepten zur Operationalisierung dieser Dekade und ihrem Stellenwert in der deutschen und der italienischen Geschichtswissenschaft. Der erste Abschnitt des Bandes ist solchen Interpretationskategorien gewidmet, die in der Hauptsache um die Begriffe Moderne und Postmoderne kreisen. Dabei werden disziplinenübergreifend Unterschiede im deutschen und italienischen Wortgebrauch deutlich, die sich auf die damit bezeichneten Epochen und Prozesse, aber auch auf die entsprechenden zeitgenössischen Entwicklungen beziehen. Als Bezugspunkt dienen hauptsächlich soziologische Deutungsmuster zur (Post‑)Moderne, genuin historische Konzeptionalisierungen werden eher am Rand aufgegriffen. Der zweite, nicht ganz trennscharf vom ersten abgegrenzte Abschnitt bietet Untersuchungen zum Wertewandel der 1970er‑Jahre mit seinen Prozessen der Individualisierung und des Postmaterialismus. Beispiele sind hier die „Versicherheitlichung der Natur“ (175) mit Blick auf die Wahrnehmung von Umweltkatastrophen und die zivile sowie militärische Nutzung der Kernkraft, das Verständnis individueller sportlicher Betätigung im Fitnessbereich oder das Konsumverhalten von italienischen Arbeitsmigranten in Deutschland. Die Autorinnen und Autoren knüpfen damit an eines der dominierenden Forschungsparadigmen an. Die in der Zeitgeschichtsforschung jüngst mehrfach vorgetragene Forderung nach Problematisierung und Historisierung des Konzepts wird dabei nur vereinzelt aufgegriffen. Einen Einstieg in den Forschungsstand ermöglicht die beigefügte, sparsam kommentierte Bibliografie, die wichtige deutsch‑ und italienischsprachige Publikationen zum Themenfeld „Moderne und Postmoderne“ (297 ff.) vor allem aus den vergangenen 20 Jahren versammelt. Der Sammelband erscheint parallel in einer italienischen Ausgabe.