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Deutsches Polen-Institut Darmstadt (Hrsg.)

Jahrbuch Polen 2013. Band 24: Arbeitswelt

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2013; 177 S.; 11,80 €; ISBN 978-3-447-06901-4
Das aktuelle Jahrbuch ist diesmal dem Thema Arbeit gewidmet. Auf den ersten Blick liest sich die polnische Wirtschafts‑ und Arbeitsmarktpolitik als Erfolgsgeschichte: Polen sei das einzige EU‑Mitgliedsland, „das bisher nicht nur die Krise, sondern auch eine wirtschaftliche Rezession vermieden hat“ (8), schreibt Maciej Duszczyk in seinem einführenden Beitrag, auch die Erwerbslosenquoten bewegten sich auf einem eher gemäßigten Niveau. Blickt man hinter die Kulissen, so beruht dieser oberflächliche Erfolg jedoch auf einem höchst fragilen Fundament und wurde durch zahlreiche soziale Verwerfungen erkauft, die die langfristigen ökonomischen und sozialen Grundlagen der polnischen Gesellschaft massiv ins Wanken bringen können. So zeigt Vera Trappmann in ihrem Beitrag, dass trotz der seit einigen Jahren kontinuierlich steigenden Zahl an Arbeitsplätzen stabile Beschäftigungsverhältnisse in einem massiven Ausmaß durch finanziell und arbeitsrechtlich prekäre Stellen ersetzt worden sind. So arbeitet mittlerweile ein Fünftel aller Erwerbstätigen – in der Regel auf Druck des Arbeitgebers – in Scheinselbstständigkeit; befristete Verträge, Teilzeitarbeit und Leiharbeit erfahren zudem einen starken Anstieg. Für viele Polen, selbst im Bildungs‑ und Gesundheitssektor, sind mehrere parallele Jobs zur Sicherung eines ausreichenden Einkommens mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme. Diese Flexibilität hat ihren Preis: Steigende Ungleichheit und steigende Armutszahlen sowie wachsende physische wie psychische Überlastungserscheinungen prägen zunehmend das Bild der polnischen Gesellschaft. Die Gewerkschaften haben diesen Entwicklungen wenig entgegenzusetzen, auch weil ihr Einfluss in Arbeitnehmerkreisen aufgrund der starken Verflechtung mit der Politik sowie angesichts innergewerkschaftlicher Kämpfe sukzessive gesunken ist, wie Krzysztof Getka zeigt. Der Band bietet eine kritische Bestandsaufnahme der gegenwärtigen polnischen Arbeitswelt und deckt zu diesem Zweck zahlreiche unterschiedliche Facetten ab. Sozialwissenschaftliche Beiträge werden dabei ergänzt durch einen Literaturteil, in dem Ausschnitte aus zeitgenössischer polnischer Prosa in erstmaliger deutscher Übersetzung abgedruckt sind. Alles in allem vermittelt das Buch somit einen äußerst lesenswerten Einblick nicht nur in politische und ökonomische Entwicklungen der vergangenen Jahre, sondern auch in den Alltag der polnischen Gesellschaft.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.61 | 2.262 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Deutsches Polen-Institut Darmstadt (Hrsg.): Jahrbuch Polen 2013. Wiesbaden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36631-jahrbuch-polen-2013_43895, veröffentlicht am 23.01.2014. Buch-Nr.: 43895 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken