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Uwe Backes / Alexander Gallus / Eckhard Jesse (Hrsg.)

Jahrbuch Extremismus & Demokratie (E & D). 26. Jahrgang 2014

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014; 485 S.; 69,- €; ISBN 978-3-8487-1925-9
Aufgrund der Pannen bei der Aufklärung des NSU‑Terrorismus ist die Debatte um Verfassungsschutz und „wehrhafte Demokratie“ wieder entbrannt. Uwe Backes weist die neuerliche Fundamentalkritik von Claus Leggewie/Host Meier und deren Plädoyer für die Beschränkung auf einen „Republikschutz“ vor bloß gewaltsamen Gegnern im Sinne Weimars nachdrücklich zurück. Ob trotz all der angeführten demokratischen Gewährsleute (Carlo Schmid, Karl Loewenstein usw.) hier nicht doch ein bisschen Carl Schmitt drin ist – darüber ließe sich trefflich streiten. Mit ideengeschichtlicher, politisch‑theoretischer Argumentation vertritt Patrick Stellbrink demgegenüber die These, dass Gustav Radbruchs wertrelativistische Demokratietheorie gerade nicht wie im Falle der positivistischen von Hans Kelsen zur Selbstpreisgabe an die Diktatur führen müsse. Die Kritik an der Weimarer Wertneutralität hält er daher für falsch. Denn die Demokratie schütze sich durch die Volkssouveränität selbst, weil diese bedeute, jederzeit alles mehrheitlich beschließen zu können, nur nicht, dies nicht mehr tun zu können. Diese sehr interessante Variation löst aber das Problem nicht wirklich, denn auch hier wäre man dann souverän, ohne jedoch alles tun zu können – also nicht souverän. Insofern lässt sich das Paradoxon der Demokratie von Kelsen beziehungsweise Karl Popper wohl nur pragmatisch angehen: entweder mit ein bisschen weniger Demokratie diese verteidigen oder aber mit radikaldemokratischer Haltung auch deren Untergang einkalkulieren. Angesichts der neuerlichen „Krise“ des parlamentarischen Parteienstaats trägt Frank Decker schließlich zehn Thesen zur institutionellen Reform vor (unter anderem Wahlrecht, Direktwahl Bundespräsident, Plebiszite auf Bundesebene, weitere Föderalismusreform). Das bewährte Jahrbuch liefert darüber hinaus wieder zahlreiche zuverlässige politische Daten und Analysen zu den Wahlen und Organisationen im Jahr 2013, speziell auch zur AfD (Alexander Gallus), zur Militanz im Linksextremismus (Karsten Dustin Hoffmann), zu Frauen in der Dschihad‑Szene (Kai Hirschmann) und zu den obskuren Gruppen der „Reichsbürger‑Bewegung“, die in einem verschwörungstheoretischen Amalgam aus Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Anti‑Amerikanismus die Legalität und Legitimität der Bundesrepublik bestreitet (Jan Freitag).
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Rubrizierung: 2.372.322.3322.3252.255.415.461.1 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Uwe Backes / Alexander Gallus / Eckhard Jesse (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie (E & D). 26. Jahrgang 2014 Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38308-jahrbuch-extremismus--demokratie-e--d-26-jahrgang-2014_46796, veröffentlicht am 16.04.2015. Buch-Nr.: 46796 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken