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Georg M. Hafner / Esther Schapira

Israel ist an allem schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird

Frankfurt a. M.: Eichborn 2015; 317 S.; geb., 19,99 €; ISBN 978-3-8479-0589-9
Das Buch – so viel gleich vorweg – ist eine dringend notwendige politische Aufklärung im besten Sinne. Denn eine Gesellschaft, in der noch im Sommer 2014 auf Demonstrationen öffentlich „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“ (23) skandiert werden kann, hat dieses Buch absolut nötig. Und das nicht, um etwa die aktuelle Entwicklung in Israel und den palästinensischen Gebieten, die derzeit häufig in Richtung einer dritten Intifada gedeutet wird, besser einordnen zu können. Eine solche Gesellschaft braucht dieses Buch, um in erster Linie sich selbst besser zu verstehen: Ist Antisemitismus Bestandteil ihrer „inneren Haltung“ (25)? Gerade im Rahmen des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern werde deutlich, so die Autoren, wie fundamental anti‑israelisch die Haltung hierzulande sei: „Vielen ‚Israelkritikern‘ ist in Wahrheit nicht die Politik des Staates, sondern seine Existenz ein Dorn im Auge.“ (38) Damit wird gleichsam deutlich, von welch grundlegender, um nicht zu sagen existenzieller Natur das Problem ist: Mit einer Änderung der politischen Programmatik ist dem Problem nicht beizukommen, mit einem Verschwinden Israels schon. Ursächlich für die gesellschaftliche Perpetuierung einer solch radikalen Ablehnung sind aus Sicht der Autoren nicht nur, aber auch die Medien. Dabei geht es nicht allein um Social Media, wie insbesondere um Facebook, in dessen Tiefen sich jedwede Vorurteile und Beschimpfungen ungefiltert Bahn brechen. Angesprochen sind auch die etablierten Medien, die etwa Raketenangriffe der Hamas auf israelische Städte und Siedlungen tendenziell bagatellisieren, wenn sie schreiben, die Raketen seien „selbst gebastelt“ und verfügten „über keine große Sprengkraft“ (111). Dies führt, aus analytischer Distanz betrachtet, zu der Frage, ob eine selbst gebastelte Rakete etwa weniger tödlich, gar harmlos oder vielleicht auch nur ein böser Streich sei. Diese und ähnliche Schilderungen, die die Autoren facettenreicher präsentieren können, als es jeder aufgeklärten Gesellschaft lieb sein kann, münden letztlich in die Einschätzung, die der französische Philosoph Bernard‑Henri Lévy einmal so formuliert hat: Selbst wenn Israel eine Nation von Engeln wäre […], würde sich am Hass gegen Israel kein Jota ändern. Die Judenhasser hassen Juden, einfach weil sie da sind.“ (312) Das ist so klar und einfach wie beschämend zugleich, insbesondere für eine Gesellschaft, für ein Land, das historisch von sich behaupten kann, die europäische Aufklärung maßgeblich vorangetrieben zu haben. Und so bedarf es in den Untiefen des deutschen Antisemitismus noch viel von jenem Licht, von dem Rosi Rahel Posner auf der Rückseite des Fotos schrieb, das heute, zusammen mit dem Chanukkaleuchter der Kieler Rabbinerfamilie in Yad Vashem zu besichtigen ist.
{LEM}
Rubrizierung: 2.352.3312.3152.63 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Georg M. Hafner / Esther Schapira: Israel ist an allem schuld. Frankfurt a. M.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39023-israel-ist-an-allem-schuld_47191, veröffentlicht am 29.10.2015. Buch-Nr.: 47191 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken