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Eva Illouz

Israel. Soziologische Essays. Aus dem Englischen von Michael Adrian

Berlin: Suhrkamp 2015 (edition suhrkamp 2683); 229 S.; 18,- €; ISBN 978-3-518-12683-7
Eva Illouz beleuchtet in den Beiträgen, die bereits zwischen 2011 und 2014 in der linksliberalen israelischen Zeitung „Haaretz“ erschienen sind – was einige Redundanzen erklärt –, die Lage Israels kritisch. Ihre Kritik an Staat und Gesellschaft Israels formuliert sie jedoch explizit als Verteidigung der Legitimität des Zionismus und des Rechts der Juden auf eine nationale Heimstätte, auf die Existenz Israels. So kritisiert sie die antiuniversalistischen Grundlagen des israelischen Gemeinwesens und sein langsames Abdriften in eine „religiöse Ethnokratie“. Der ausgeprägt ethnisch‑religiöse Charakter Israels führe zu Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten nicht nur für Nichtjuden und Araber, sondern auch unter den Juden selbst, die mit denen in einer vormodernen „Kastengesellschaft“ (123) vergleichbar seien. All dies werde vom Gros der israelischen Staatsbürger einfach hingenommen. Illouz macht dafür auch den langen Militärdienst von Frauen und Männern verantwortlich, der für sie eine Quelle eines Habitus des Gehorsams gegenüber dem Staat darstelle. Was sich in der Diaspora angesichts territorialer Zersplitterung, stets unsicherer Existenz und Verfolgung des jüdischen Volkes bewährt habe, nämlich ein Bewusstsein für transnationale Gemeinschaftsbildung und ihre Einheit, erweise sich im Staat Israel als problematisch: „Diese Bekundungen des zunehmend jüdischen Charakters der israelischen Gesellschaft gleichen einer nach Israel hineinkopierten Diaspora: Sie zielen darauf, eine Minderheitenidentität nachzuahmen und zu verteidigen, tun dies aber mit einer mächtigen, militärisch starken Mehrheit im Rücken.“ (80) In den Essays stellt die Autorin immer wieder Bezüge zu ihrer Biografie her: Sie ist in Marokko geboren, entstammt einer Familie orthodoxer sephardischer Juden, zog im Alter von zehn Jahren mit ihren Eltern nach Frankreich und promovierte später in den USA. Illouz blieb religiös und orthodox bis sie nach Israel kam: „All die unzähligen Entscheidungen, die den Glauben zu einer Gewissenssache gemacht hatten, wurden mir nun wie selbstverständlich und auf unsichtbare Weise aufgezwungen. Meine eigene Wahl wurde dadurch aufgehoben, meine Religiosität zu einem unmittelbaren Anhängsel des Staates gemacht.“ (68) Am Abend der Ermordung von Jitzchak Rabin am 4. November 1995 erlebte sie ihre „säkulare Epiphanie“ (68). Die im Buch versammelten Beiträge stellen ein Plädoyer für die Neugründung Israels als universalistischer Staat dar: „Was Juden in ihren jeweiligen nichtjüdischen Ländern für sich selbst gefordert haben, muss auch den arabischen und den entrechteten palästinensischen Bürgern zugestanden werden – ohne Wenn und Aber.“ (14)
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Rubrizierung: 2.632.23 Empfohlene Zitierweise: Julia Schmidt-Häuer, Rezension zu: Eva Illouz: Israel. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39126-israel_47396, veröffentlicht am 26.11.2015. Buch-Nr.: 47396 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken