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Fatima Mernissi

Islam und Demokratie. Die Angst vor der Moderne. Aus dem Französischen von Einar Schlereth

Freiburg i. Br./Basel/Wien: Herder 2002; 254 S.; geb., 19,90 €; ISBN 3-451-27856-1
Die marokkanische Soziologin wirft einen von der Religion unverstellten Blick auf die Modernisierungsmöglichkeiten islamischer Staaten. Das in der Originalausgabe 1992 erstmals erschienene, jetzt leicht aktualisierte Buch nimmt den Golfkrieg gegen den Irak als Ausgangspunkt, um Traditionen und Denkweisen aufzuschlüsseln. Dabei sind für Mernissi Islam und Demokratie kein Widerspruch. Sie zeigt vielmehr, wie die autoritären Machthaber der arabischen Welt versuchen, die alte Angst vor dem Westen auf die Demokratie zu übertragen. Freiheit werde zum Synonym für Unordnung erklärt, Sinn und Zweck von Parlament und Verfassung werden nicht erklärt. "Diese verstümmelte Moderne, der großen demokratischen Errungenschaften entleert" (158), biete gerade den Menschen, die in schlechter wirtschaftlicher Lage lebten, keine Hoffnung. Und Sprache des Protestes sei der Islam. Eine Lösung der wirtschaftlichen und politischen Probleme der arabischen Welt sei aus dieser Rückwärtsgewandtheit nicht zu erwarten. Einen der wichtigsten wirtschaftlichen Lösungsansätze sieht Mernissi in einem Ende der enormen Waffenkäufe, denn dieses Geld fehle für Investitionen in den eigenen Ländern. Gerade für junge Leute mit guter Ausbildung müssten Arbeitsplätze geschaffen werden, um ihnen eine Perspektive zu geben. Die Autorin sieht bei dieser wirtschaftlichen Fehlentwicklung zwar die westlichen Länder als nicht unschuldig, die Hauptfehler lägen aber in den arabischen Ländern selbst - ein Abschieben der Verantwortung will sie nicht zulassen. Allerdings könne der Westen nur dann mit einem Ende der Gewalt, die ihren Ursprung in den arabischen Ländern habe, rechnen, wenn er helfe, die Gewalt wirtschaftlich uninteressant zu machen. Eine "Schlüsselkraft" für Veränderungen sieht die Autorin in der Informationstechnologie und dem Satellitenfernsehen wie Al-Jazira, weil die Bevölkerung so Zugang zur modernen Welt erhalte. Und was die Moderne ausmachen werde, ist für die Autorin eindeutig: Das "Auftauchen der Frau als Bürgerin" (217). Inhalt: 1. Der Golfkrieg - eine Angst und ihre Grenzen; 2. Die Angst vor dem fremden Westen; 3. Der Imam und die Angst; 4. Die Angst vor der Demokratie; 5. Die Charta der Vereinten Nationen - die große Unbekannte; 6. Der Koran - fünfzehn Jahrhunderte der Hoffnung; 7. Die Angst vor der Gedankenfreiheit; 8. Die Angst vor dem Individualismus; 9. Die Angst vor der Vergangenheit; 10. Die Angst vor der Gegenwart; 11. Das Lied der Frauen - Aufbruch in die Freiheit; 12. Statt eines Schlusswortes: Das Märchen vom Simurg.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.23 | 4.41 | 4.43 | 4.22 | 2.63 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Fatima Mernissi: Islam und Demokratie. Freiburg i. Br./Basel/Wien: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/16566-islam-und-demokratie_19027, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 19027 Rezension drucken