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Kurt Gritsch

Inszenierung eines gerechten Krieges? Intellektuelle, Medien und der "Kosovo-Krieg" 1999

Hildesheim/Zürich/New York: Georg Olms Verlag 2010 (Historische Europa-Studien 3); 533 S.; 58,- €; ISBN 978-3-487-14355-2
Diss. Hildesheim. – Gritsch wendet sich einer wissenschaftlich wenig beachteten Thematik zu: der im Zusammenhang einer humanitären Intervention stattfindenden Debatte unter Intellektuellen. Den Untersuchungsgegenstand bildet der Diskurs um den Kosovo-Krieg im Frühjahr 1999. Der Autor rekonstruiert die Feuilletondebatte in der FAZ, der Süddeutschen Zeitung und der taz, in der Zeit und im Spiegel, indem er die jeweiligen Befürworter und Gegner der NATO-Intervention aufzählt und deren Argumentationsmuster detailliert darstellt und systematisiert. Laut Gritsch besitzt der idealtypische Intellektuelle eine besondere Verantwortung, die sich durch Skepsis und Kritik gegenüber den Herrschenden auszeichne. Anhand dieser explizit normativen Interpretation der gewünschten Rolle eines Intellektuellen versucht er sich an einer Kritik der damals ausgetauschten Standpunkte. Komplettiert wird dies durch die Darstellung der Vorgeschichte des Krieges, seiner völkerrechtlichen, historischen und philosophischen Dimensionen sowie der allgemeinen Medienberichterstattung. Anhand der Debatte um Peter Handke und dessen pro-serbischen Äußerungen will Gritsch die Mechanismen intellektueller Debatten offenlegen. Er verdeutlicht den hohen Stellenwert moralisch-historischer Argumente im damaligen Diskurs: Die Interventionsbefürworter versuchten, die NATO-Luftangriffe durch Verweis auf einen drohenden Genozid der Kosovo-Albaner und explizite Bezugnahme auf den Zweiten Weltkrieg zu legitimieren. Der Autor selbst vertritt eine offen interventionsskeptische Sichtweise und kritisiert die mangelnde Objektivität der Interventionsbefürworter. Obwohl Gritsch einige interessante Einsichten liefert, nimmt er an vielen Stellen eine ideologische Position ein – genau das, was er an den Interventionsbefürwortern kritisiert –, etwa wenn er Zeitungsjournalisten vorwirft, sie hätten gegen ihre „Friedenspflicht verstoßen“ (491).
Christian Haas (CHA)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.333 | 2.35 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Christian Haas, Rezension zu: Kurt Gritsch: Inszenierung eines gerechten Krieges? Hildesheim/Zürich/New York: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32669-inszenierung-eines-gerechten-krieges_39005, veröffentlicht am 16.08.2010. Buch-Nr.: 39005 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken