Skip to main content
Dominik Müller

Indien – Die größte Demokratie der Welt? Marktmacht, Hindunationalismus, Widerstand. Hrsg. in Zusammenarbeit mit Recherche International e.V.

Berlin/Hamburg: Assoziation A 2014; 190 S.; brosch., 16,- €; ISBN 978-3-86241-433-8
Dominik Müller lässt bereits in der Einleitung keinen Zweifel daran, dass das von den Regierungen Indiens gezeichnete und in Europa gern aufgegriffene Bild des Landes als pluralistische Supermacht und größte Demokratie der Welt so nicht der Realität entspricht. Müller legt kein Fachbuch vor, sondern widmet sich im Stil einer kritischen Reportage den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Problemen, Widersprüchen und Schattenseiten der indischen Modernisierung. Vom Aufstieg der Atomwirtschaft über die rücksichtlos wirkende Liberalisierungs‑ und Freihandelspolitik der letzten zweieinhalb Jahrzehnte hin zum Einfluss der Hindunationalisten auf das politische System des Landes – Müller beleuchtet auf der Grundlage von Gesprächen und Interviews mit engagierten Befürwortern und Kritikern dieser Entwicklungen die meist weniger diskutierten Facetten des neuen Indiens. Im ausführlichsten Kapitel des Buches behandelt er mit dem Hindunationalismus das politisch‑soziale Klima. Neben den Vertretern und Fürsprechern der Sangh Parivar‑Bewegung kommen auch Mahner zu Wort, die in der „weltweit größte[n] religiös‑nationalistische[n] Bewegung“ (84) – zu der mit der Indischen Volkspartei (BJP) auch die aktuell stärkste politische Kraft des Landes gehört – und deren Ideologie des „aggressive[n] religiöse[n] Nationalismus“ (22) eine unterschätzte Gefahr sehen. Ausgeübt werde ein tiefgreifender gesellschaftlicher Einfluss, der sich jenseits der politischen Arena durch die Tätigkeit von Kaderorganisationen wie dem Nationalen Freiwilligendienst (RSS), Gewerkschaften sowie Wohlfahrtsorganisationen entfalte und das ethnische, religiöse und soziale Zusammenleben in Indien gefährde. Als Ergebnis dieser kritischen und gründlichen Beschäftigung mit Indien ergibt sich aus den durchweg aktuellen Episoden und Einblicken das Bild einer illiberalen Demokratie, die jenseits freier Wahlen bei der Garantie weitergehender Voraussetzungen für einen demokratisch‑inklusiven Staat zu versagen droht. Aufgrund des Zusammenspiels von „autoritäre[m] Kapitalismus“ und „autoritäre[r] Politik der Hindunationalisten“ (21) muss, so Müller, die Zukunft des Landes keineswegs den euphorischen Prognosen entsprechen, die im In‑ und Ausland nur allzu gerne aufgegriffen werden.
Christian Patz (CPA)
M.A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Fachbereich Politikwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rubrizierung: 2.68 | 2.2 | 2.22 | 2.23 | 2.262 | 2.263 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Dominik Müller: Indien – Die größte Demokratie der Welt? Berlin/Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37676-indien--die-groesste-demokratie-der-welt_45935, veröffentlicht am 16.10.2014. Buch-Nr.: 45935 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken