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Karen Armstrong

Im Namen Gottes. Religion und Gewalt. Aus dem Englischen von Ulrike Strerath-Bolz

München: Pattloch 2014; 687 S.; 24,99 €; ISBN 978-3-629-13039-6
In terroristischen Gräueltaten spiele Religion oft eine Rolle, aber man mache es sich zu einfach, wenn man sie zum „Sündenbock“ erkläre, statt zu erkennen, „was wirklich in der Welt geschieht“ (477), schreibt die ehemalige katholische Nonne und renommierte britische Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong. Was wirklich geschieht? Der Originaltitel ihrer Studie – „Fields of Blood“ – gibt dazu schon den entscheidenden Hinweis: Im historischen Längsschnitt erzählt Armstrong die Vergesellschaftung des Menschen von der Agrargesellschaft bis in die Moderne unter dem Vorzeichen der Gewalt. Als Konstante arbeitet sie die Verquickung dieser (staatlichen) Gewalt mit der Religion heraus, mit der Intention, siehe Zitat oben, die Religion vor dem Vorwurf zu schützen, sie sei für die Gewalt verantwortlich. Alle „großen religiösen Traditionen [vertreten] gemeinsam die Forderung […], man solle andere so behandeln, wie man selbst behandelt werden will“ (477). Der Versuch allerdings, Gewalt nur als Ausdruck politischen Handelns zu fassen, ist schon aus der Argumentation der Autorin heraus nicht überzeugend, betont sie doch, dass Religion immer alle Lebensbereiche durchdrungen habe. Der Antisemitismus bietet dafür ein herausragendes Beispiel. Dessen Ursprünge liegen nach Armstrong zwar in der Zeit der Kreuzzüge und sind damit von Religion nicht zu trennen, dennoch sieht sie als eigentliche Motive ökonomische Umwälzungen und das Entstehen des Nationalismus. Damit ignoriert sie, dass Religion Begründungsmuster für politisches Handeln liefert – weil sie, aber so weit geht die Autorin im eigentlich zwingenden Umkehrschluss nicht, selbst Teil von Politik ist. Die Separierung des Religiösen, seine Einhegung im allein individuellen Bereich und damit die Trennung von Religion und (staatlicher) Macht, nach Armstrong eine Erfindung der Protestanten, ist kein Gegenbeweis, sondern eher eine historische Ausnahme. Die fortgesetzte politische Funktion von Religion ließe sich auch an der Iranischen Revolution ablesen, aber Armstrong übersieht hier, wie aufgeklärte Anliegen der Gesellschaft (Einforderung der Menschenrechte und wirtschaftlicher Selbstbestimmung, Ablehnung der Diktatur) durch religiöse Umdeutung gekapert wurden. Spätestens in diesem Kontext hätte man sich gewünscht, dass die Autorin ihren analytischen Abstand zu den Inhalten von Religion aufgegeben und deren Traditionen auf den Prüfstand gestellt hätte – vor allem auch mit Blick auf die Stellung der Frauen, die mit keiner Silbe erwähnt werden. Ungestellt und unbeantwortet bleibt damit die Frage, inwieweit Religion als historisch entstandenes Konstrukt an gesellschaftlichen und politischen Begründungen die freie Entfaltung des modernen Menschen in all seinen Rechten behindert.
{NW}
Rubrizierung: 2.252.234.412.632.68 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Karen Armstrong: Im Namen Gottes. München: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38357-im-namen-gottes_46612, veröffentlicht am 30.04.2015. Buch-Nr.: 46612 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken