Skip to main content
Ernst Topitsch

Im Irrgarten der Zeitgeschichte. Ausgewählte Aufsätze

Berlin: Duncker & Humblot 2003 (Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte 29); 178 S.; 39,80 €; ISBN 3-428-11017-X
Im Zentrum dieser polemisch gehaltenen Aufsätze steht die Auseinandersetzung mit den beiden „politischen Theologen Carl Schmitt und Jürgen Habermas", dem „bösen Menschen von Plettenberg" und dem „guten Menschen von Gummersbach" (22 f.). Der 2003 gestorbene Topitsch, Vertreter des Kritischen Rationalismus, Philosoph, Professor in Wien, Heidelberg und Graz, trat besonders als Analytiker von Weltanschauungen und Ideologiekritiker in Erscheinung. Seine Wissenschaft ist am Prinzip der Überprüfbarkeit orientiert und kennt keine absoluten Wahrheiten. Sein Anliegen ist darauf gerichtet, die mythisch-religiösen und theologischen Demokratien in Geschichts- und Gesellschaftstheorie zu untersuchen. Auf die Übereinstimmungen zwischen Schmitt und Habermas - besonders in ihrer Parlamentarismuskritik - ist schon häufiger hingewiesen worden. Für Topitsch liegt diese Übereinstimmung tiefer: „Für beide ist die wissenschaftlich-industrielle Dynamik mit ihren sozialökonomischen und aufklärerischen Konsequenzen eine apokalyptische Bedrohung, ja ein Weg in den Abgrund des Nihilismus" (23). So entlarvt er beide als Eschatologen: Bei Schmitt liegt (z .B.) der Kampf zwischen Christentum und Antichrist dem Freund-Feind-Schema zugrunde; bei Habermas, „einem von Angst vor der Moderne erfüllten Pietisten" (94), gewinnt die Heilsverkündung im „verständigungsorientierten Dialog", dem „herrschaftsfreien Diskurs", Gestalt. Dies ist mit Gewinn, auch mit Erkenntnisgewinn, zu lesen. Selbst zum Mystiker und Rauner wird Topitsch, wenn er behauptet (und dies sind nur zwei Beispiele), Stalins Flottenbauprogramm, also dessen expansive Weltmachtpolitik habe die Präventivkriegsthese obsolet gemacht, oder wenn er nicht ausschließen will, dass der Mossad die belastenden Dokumente gegen Waldheim in dessen Akte geschmuggelt habe. Da versteht man, warum Topitsch in den letzten Jahren oft in der Jungen Freiheit publiziert und die Neue Rechte wohl ihre Freude an ihm gehabt hat.
Heinz-Werner Höffken (HÖ)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Heinz-Werner Höffken, Rezension zu: Ernst Topitsch: Im Irrgarten der Zeitgeschichte. Berlin: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/19143-im-irrgarten-der-zeitgeschichte_22230, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 22230 Rezension drucken