Der Philosoph Lübbe ist neben Odo Marquard und Robert Spaemann der bekannteste Vertreter der „Ritter-Schule“, die sich seit den 50er-Jahren um Joachim Ritter im Umfeld des Münsteraner „Collegium Philosophicum“ formierte. Unter dessen Exponenten hat Lübbe, ob seines großen politischen und publizistischen Engagements, wohl die meiste öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Er wurde als liberalkonservativer Konterpart zu Jürgen Habermas wahrgenommen und hat so die intellektuelle Geschichte der Bundesrepublik maßgeblich mitgeprägt. Dieser Band versammelt Interviews mit Lübbe, die wechselnde Gesprächspartner mit ihm geführt haben. Bis auf eine Ausnahme sind sie in den vergangenen zehn Jahren entstanden. Wie in Lübbes wissenschaftlichem Werk ist auch in diesen Gesprächen das Themenspektrum weit gespannt. Eine wiederkehrende Frage ist die nach der politischen und intellektuellen Entwicklung der Bundesrepublik, insbesondere in der Nachkriegsphase und während der 68er-Bewegung. Letztere sieht Lübbe dezidiert kritisch. Weder habe sie ein angemessenes Verhältnis zur NS-Vergangenheit erbracht, noch die demokratischen Potenziale der Bundesrepublik gestärkt. Stattdessen sieht er in ihr „eine intellektuelle Pseudokompensation der Desorientierungswirkungen von Freiheitsgewinnen“ (75). Ein weiterer Schwerpunkt der Gespräche gruppiert sich um die (politischen) Folgen der in der Moderne zunehmenden „Dynamik der zivilisatorischen Evolution“ (27), zu denen Lübbe nicht nur die Notwendigkeit einer immer intensiveren Vergegenwärtigung der Vergangenheit (Selbsthistorisierung, Geschichtspolitik) zählt, sondern auch ein Wiedererstarken der Religionen. Neben solchen pointierten Einblicken in die Grundmotive von Lübbes Denken werden nicht zuletzt auch biografische und persönliche Hintergründe ausgeleuchtet.