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Fabian Richter (Hrsg.)

Identität, Ethnizität und Nationalismus in Kurdistan. Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Ferhad Ibrahim Seyder

Berlin: Lit 2016 (Konfrontation und Kooperation im Vorderen Orient 14); 387 S.; 54,90 €; ISBN 978-3-643-13234-5
Die Festschrift für Ferhad Ibrahim Seyder versammelt eine Reihe namhafter Autoren zum relativ jungen Forschungsschwerpunkt der Kurdischen Studien. Nach seiner Promotion zur kurdischen Nationalbewegung im Irak forschte Seyder weiter auf dem Gebiet der kurdischen Kulturgeschichte und Migration. Neben seiner Lehrtätigkeit in Deutschland war er maßgeblich am Aufbau der Universität in Dohuk (kurdische Autonomieregion im Nordirak) beteiligt. Der Band deckt ein weites Spektrum an Themenfeldern ab, das von Identität und Ethnizität über Politik und Wirtschaft bis zu Sprache, Kultur und Gesellschaft reicht. Martin von Bruinessen beschäftigt sich eingangs mit der kurdischen Identität, der „Adoption“ der Kurden in die türkische Identität und dem Aufbrechen dieses Dogmas, nachdem es wieder möglich war, über kurdische Identität zu sprechen. Inwiefern dieser Trend in der Türkei im Zuge des aktuellen Konfliktes rückläufig sein wird, bleibt abzuwarten. Gülustan Gürbey und Sabine Hofmann vergleichen die kurdische Autonomieregion im Nordirak mit der Palästinensischen Autonomiebehörde. Während Letzterer wichtige Aspekte einer eigenstaatlichen Verwaltung fehlen, war die Entwicklung der Region Kurdistan Irak durchweg positiv. In den letzten beiden Jahren machten ISIS und die anhaltende Wirtschaftskrise einen Teil dieser Entwicklung zunichte, während der Kampf gegen ISIS und die damit einhergehende internationale Unterstützung die Regierung des kurdischen Autonomiegebietes gleichzeitig gestärkt hat. Vor allem in dem schwelenden Konflikt um die sogenannten umstrittenen Gebiete konnten Fakten geschaffen und die Peshmerga‑Gebiete von ISIS befreit werden, die nun unter Verwaltung der nordirakischen Kurden stehen. Die Rufe nach einer vollständigen Unabhängigkeit werden indes immer lauter. Ebenso gehen die Autoren auch auf die innerkurdischen Konflikte ein, die im Zuge des Kampfes gegen ISIS aktuell häufig ausgeblendet werden. Fabian Richter widmet sich dem „Ethno‑Nationalismus“ der kurdischen Bewegung in der Türkei und dessen Abschwächung in dem Wunsch nach mehr politischer Teilhabe – vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in der Südosttürkei ein wichtiger Beitrag. Heidi Wedel und Riza Dinc beschreiben die Rolle der Zivilgesellschaft für den Demokratisierungsprozess. Waren gerade im kurdischen Kontext viele Bürgerrechtsbewegungen zu finden, sind diese durch den aktuellen Konflikt in der Türkei jedoch mehr und mehr unter Druck geraten. In einem Sammelband zu den kurdischen Studien spielt erwartungsgemäß der Nordirak eine große Rolle und entsprechend finden sich weitere Beiträge über die Region Nordirak, die dortige Parteienlandschaft und die Haupteinnahmequelle, das Öl. Gerade die thematische Breite macht diesen Sammelband für das kleine Fachgebiet wertvoll und lesenswert.
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Rubrizierung: 1.32.634.422.222.23 Empfohlene Zitierweise: Michael Rohschürmann, Rezension zu: Fabian Richter (Hrsg.): Identität, Ethnizität und Nationalismus in Kurdistan. Berlin: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39970-identitaet-ethnizitaet-und-nationalismus-in-kurdistan_48258, veröffentlicht am 04.08.2016. Buch-Nr.: 48258 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken