Erst 22 Jahre nach der Deutschen Einheit wurde mit dem Fonds „Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990“ das von Kindern und Jugendlichen in Heimen der DDR erlittene Leid und Unrecht anerkannt. Vor allem in den Spezialheimen erlebten viele Zwang und Gewalt, teilweise leiden die Betroffenen bis heute unter den Folgeschäden. Das Ziel des Buches ist es, die Spezialheime im heutigen Sachsen‑Anhalt, zu denen unter anderem Durchgangs‑ und Spezialkinderheime sowie Jugendwerkhöfe gehörten, näher zu betrachten und den Einfluss der Staatssicherheit auf die Jugendhilfe in der DDR aufzuzeigen. Ralf Marten stellt zunächst die Struktur verschiedener Spezialheime vor und widmet sich dann den Umerziehungsmaßnahmen, die in diesen Heimen zum Einsatz kamen. Insgesamt hält der Autor fest: „Die Durchführung der ‚Umerziehung‘ basierte auf vier wesentlichen Aspekten: der politisch‑ideologischen Erziehung, der Kollektiverziehung, der Arbeitserziehung und der Erziehung zu Disziplin und Ordnung.“ (52) Jugendliche, die als „schwererziehbar“ oder kriminell galten oder „bei denen sich das ‚Fehlverhalten‘ verfestigt hatte“ (50), sollten dadurch dazu gebracht werden, sich in das Kollektiv einzufügen und ihre eigenen Interessen der Gemeinschaft unterzuordnen. Marten zeigt, wie auch das Ministerium für Staatssicherheit auf die DDR‑Jugendhilfe Einfluss nahm. Es kontrollierte und überwachte sie, warb Heimpersonal als Inoffizielle Mitarbeiter an und erließ gezielt Anordnungen und Direktiven. Das Buch enthält einen Index der bisher bekannten Spezialheime in Sachsen‑Anhalt, statistische Angaben, Fotos sowie Daten zur Jugendhilfe in der DDR und darüber hinaus zahlreiche Hinweise für Betroffene, die Unterstützung, Beratung und Rehabilitierungsmöglichkeiten suchen. Insgesamt bietet das gut lesbare Buch einen vertieften Einblick in die Thematik.