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Christian Fischer / Walter Pauly (Hrsg.)

Höchstrichterliche Rechtsprechung in der frühen Bundesrepublik

Tübingen: Mohr Siebeck 2015; XII, 332 S.; brosch., 74,- €; ISBN 978-3-16-154032-5
Obgleich das politische System der Bundesrepublik derart durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägt ist, dass so mancher schon die „Karlsruher Republik“ im Munde führt, ist die Rolle der Justiz in Darstellungen der frühen politischen Geschichte kaum präsent. Den verdienstvollen Versuch, die Befassung mit einer solchen Rechtsprechungsgeschichte anzustoßen, unternahmen die Vortragenden in der Ringvorlesung „Höchstrichterliche Rechtsprechung in der frühen Bundesrepublik“ im Sommersemester 2014 an der Friedrich‑Schiller‑Universität Jena. In vielerlei Hinsicht sind ihre Ausführungen, die nun als Sammelband vorliegen, erst ein Forschungsaufriss, ein Hinweis und Fingerzeig auf spannende Fälle, die es in ihrer Bedeutung für die spätere politische Geschichte noch zu erforschen gilt. Darüber hinaus wird ob der in anderen Publikationen oft schon manischen Beschäftigung mit dem Bundesverfassungsgericht hier jedoch nicht die Rolle der fünf Bundesgerichte vergessen. Sie nehmen sogar breiten Raum ein und gezeigt wird an ihnen etwa, wie sehr die NS‑Vergangenheitsbewältigung juridifiziert wurde. Edward Schramm beleuchtet in seinem Beitrag die täterfreundliche Rechtsprechung, die maßgeblich mit einer Schlussstrichmentalität korrespondierte beziehungsweise diese beförderte: „Die bundesdeutsche Nachkriegsrechtsprechung […] hat es ermöglicht, den Zeiger auf der Skala weg vom Opfer und immer weiter hin zum Täter und der von ihm im System übernommenen Rolle zu schieben, und zwar mit einer im Laufe der Jahre stets größer werdenden Entlastungstendenz“ (172). Burkhard Jähnke listet Fälle und Urteile zum Ost‑West‑Konflikt sowie zu neuen Fragestellungen der jungen Bundesrepublik wie zum Thema Verkehr auf, die jeweils eigene Bände füllen könnten. Auch die in der historischen Literatur oft vernachlässigten Institutionen wie das Bundesarbeitsgericht oder gar der Bundesfinanzhof (BFH) bleiben nicht unbeachtet. Anna Leisner‑Egensperger wirft Schlaglichter auf die fehlende Aufarbeitung der Reichsfinanzhofrechtsprechung für die moderne Steuerrechtswissenschaft und fragt nach problematischen personellen, organisatorischen, methodischen und inhaltlichen Kontinuitäten zum BFH. Was sie für diesen konstatiert, gilt ebenso für die anderen Bundesgerichte: „Der Mühe einer genauen Sichtung der zahlreichen Entscheidungen und Gutachten […] hat sich bislang offenbar aber noch niemand unterzogen“ (292). Das macht den Sammelband von Christian Fischer und Walter Pauly zu einem Forschungsauftrag für kommende Generationen von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern.
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Rubrizierung: 2.3232.3132.32 Empfohlene Zitierweise: Tamara Ehs, Rezension zu: Christian Fischer / Walter Pauly (Hrsg.): Höchstrichterliche Rechtsprechung in der frühen Bundesrepublik Tübingen: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39534-hoechstrichterliche-rechtsprechung-in-der-fruehen-bundesrepublik_47741, veröffentlicht am 17.03.2016. Buch-Nr.: 47741 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken