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Michael Kauppert / Irene Leser (Hrsg.)

Hillarys Hand. Zur politischen Ikonographie der Gegenwart

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (Kulturen der Gesellschaft); 274 S.; 29,99 €; ISBN 978-3-8376-2749-7
Wenn es ein Bild gibt, das mit dem Tod Osama bin Ladens assoziiert wird, dann ist es das Foto aus dem „Situation Room“ des Weißen Hauses, auf dem sich die damalige US‑Außenministerin Hillary Clinton die Hand vor den Mund schlägt. „Man muss in das Foto nicht viel Mysteriöses hineininterpretieren. Es ist ein vergleichsweise banales Dokument – für sich genommen jedenfalls.“ (52) Wesentliche Bedeutung erfährt es durch den Kontext, in dem es eingebunden wird. Dies zeigt: die (politische) Macht der Bilder ist vielleicht heute stärker denn je – umso vielfältiger sind die Interpretationsmöglichkeiten. Das Foto (das nach Aussage Clintons selbst aber nicht in dem Moment, in dem Osama bin Laden getötet wurde, entstand) steht im Mittelpunkt dieses Bandes, der auf einer interdisziplinären Tagung kultur‑ und sozialwissenschaftlicher Forscher_innen der Universität Hildesheim beruht. Es wird aus soziologischer, kunst‑ und kulturwissenschaftlicher Perspektive analysiert. Diese Vielfalt macht das Buch so spannend, da derselbe Anschauungsgegenstand anhand unterschiedlicher methodischer Zugänge und Analyseraster interpretiert wird. Ulrich Oevermann hebt in seinem sehr lesenswerten Beitrag anhand der objektiven Hermeneutik die dem Bilde inhärente Rachelogik hervor, mit dem der Tod Osama bin Ladens (und zahlreicher Zivilisten) nach archaischen Riten betrachtet wird. Roswitha Breckener erörtert die ikonischen Inszenierungen der verschiedenen Akteure auf einem Foto, das mitnichten ein spontaner Schnappschuss ist. Mit dem gezielten medialen Einsatz von Bildern nach dem 11. September 2001 und mit deren künstlerischer Verarbeitung befasst sich Katja Müller‑Helle, die nach den Bezügen zwischen Selbst‑ und Fremdbild fragt. Lobenswert ist zudem, dass die Autorinnen und Autoren die ironisch‑sarkastischen Antworten der Netzgemeinde auf das Bild mittels sogenannter Memes aufgreifen und die dahinter liegenden kulturellen Verbindungen und Absichten deutlich werden lassen. „Sie sind eine Antwort auf das, was im Bild gezeigt, aber auch das, was im Bild nicht gezeigt wird und nehmen hierfür z. T. Anleihen an kunstgeschichtlichen Vorbildern“ (261), wie Irene Leser in ihrer Reflexion über die methodischen Zugänge solcher Bildanalysen feststellt. Für Politolog_innen lohnt sich die Lektüre, da die mediale Repräsentation von Macht und Politik in der Analyse von Herrschaftsstrukturen oft unterbelichtet bleibt. Die aufgezeigten interdisziplinären Zugänge bieten so eine Möglichkeit, die politische Ikonografie als Macht‑ und Regierungsinstrument in die Analyse einzubeziehen – was in Zeiten zunehmender Interaktivität und Vernetzung von medialer Repräsentation dringend geboten ist.
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Rubrizierung: 2.222.642.1 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Michael Kauppert / Irene Leser (Hrsg.): Hillarys Hand. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38577-hillarys-hand_47030, veröffentlicht am 25.06.2015. Buch-Nr.: 47030 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken