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Hubertus Büschel

Hilfe zur Selbsthilfe. Deutsche Entwicklungsarbeit in Afrika 1960-1975

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2014 (Globalgeschichte 16); 646 S.; 56,- €; ISBN 978-3-593-50074-4
Habilitationsschrift Gießen; Begutachtung: D. van Laak, A. Eckert, M. Knipper. – Die Geschichte der Entwicklungspolitik kann als eine kontinuierliche Suche nach immer neuen Konzepten gelesen werden. Eines davon ist der wirkmächtige Ansatz der Hilfe zur Selbsthilfe, der in den 1960er‑Jahren propagiert wurde und weltweit breiten Zuspruch fand, ließen sich damit doch „zwei verheißungsvolle Prinzipien“ (22), Subsidiarität und Solidarität, verknüpfen. „Die Lobpreisungen der Hilfe zur Selbsthilfe […] als ‚gutes’, ja sogar als einzig zielführendes Entwicklungskonzept schien unstrittig und geradezu zwangsläufig überzeugend.“ (19) In dieser Etikettierung sieht Hubertus Büschel den Grund dafür, dass die Hilfe zur Selbsthilfe bislang kaum einer kritischen historischen Analyse unterzogen wurde. Die wenigen kritischen Stimmen der damaligen Zeit nimmt er nun zum Anlass einer globalhistorischen Auseinandersetzung mit diesem Konzept. Am Beispiel ost‑ und westdeutscher Selbsthilfeprojekte in den ehemaligen deutschen Kolonien Tansania, Togo und Kamerun untersucht Büschel unter anderem, ob die Hilfe zur Selbsthilfe wirklich etwas Neues darstellte und tatsächlich von Gleichberechtigung und Freiwilligkeit geprägt war, wie sie legitimiert wurde und welchem Verständnis von Modernisierung sie folgte. Hierfür beschreibt der Autor detailliert die Entwicklung des Konzepts, die Hilfsdienste und Entwicklungspraktiker sowie die Praxis. Dabei werden auch die deutsch‑deutschen Konkurrenzen um die bessere Entwicklungspolitik im Kalten Krieg beleuchtet. Unabhängig davon zeigt sich an den als Fallbeispiele untersuchten Musterdörfern in Togo, einem Ausbildungszentrum in Kamerun sowie dem Bauvorhaben Bambi auf Sansibar, wie sehr Vertrauenskrisen, Konflikte, Widerstand und Gewalt die Praxis prägten. Büchel zufolge erwies sich der Ansatz der Selbsthilfe mitnichten als eine „Innovation der postkolonialen Entwicklungsarbeit“. Vielmehr war er „tief verwurzelt in der europäischen Aufklärung, im abendländischen Christentum, in der Sozialarbeit des 19. Jahrhunderts sowie in missionarischen und kolonialpädagogischen Bemühungen zu Afrika“ (115). Und so gehört zu dessen Widersprüchen und Paradoxien, die Büschel anschaulich herausarbeitet, auch die der „freiwilligen Unterwerfung“: Das Konzept verlangte von den Afrikanern, sich „mit dem Status der Unterentwicklung, in der man lebe, zu befassen. Und auf diese Reflexionen müssten auch Taten folgen, wenn man als selbstverantwortlicher Mensch gelten wolle. In dieser Anlage […] lag etwas ungemein Gewaltsames im Kern des Gewaltlosigkeit proklamierenden Entwicklungskonzepts.“ (179)
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.21 | 4.44 | 2.67 | 2.313 | 2.314 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Hubertus Büschel: Hilfe zur Selbsthilfe. Frankfurt a. M./New York: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37644-hilfe-zur-selbsthilfe_45781, veröffentlicht am 09.10.2014. Buch-Nr.: 45781 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken