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Daniel Gerlach

Herrschaft über Syrien. Macht und Manipulation unter Assad

Hamburg: edition Körber-Stiftung 2015; 388 S.; brosch., 17,- €; ISBN 978-3-89684-164-3
Vor dem Hintergrund der Aufstände in Deraa, die im Frühjahr 2011 begannen und sich schnell wie ein Lauffeuer über die ganze syrische Republik ausbreiteten, geht Daniel Gerlach aus historischer Perspektive den Faktoren nach, die zur heutigen Situation in Syrien beigetragen haben. Das Buch will dabei keine Chronik des Aufstands sein; der Fokus liegt „auf der Natur, den Verhaltensweisen und Erscheinungsformen des Regimes sowie jener Kräfte, die es bis heute fortbestehen lassen“ (12). Das heißt auch, dass weder die syrische Opposition noch die Einflussnahme ausländischer Mächte auf den innersyrischen Konflikt oder die Kurden und ihr Autonomieprojekt in dieser Analyse eine größere Rolle spielen. Das Ziel des Autors – er ist Chefredakteur des Magazins „Zenith“, das sich mit Politik, Wirtschaft und Kultur der „arabisch‑islamischen Welt“ befasst – ist es im Gegenteil, ein umfassendes Gesellschaftsbild Syriens zu zeichnen, das gesellschaftliche Traumata, kollektive Erfahrungen, die unbearbeitet geblieben sind, sowie daraus erwachsene Reflexe, Ängste und Erwartungshaltungen abzubilden, um auf dieser Grundlage die Aufstände und den aktuellen Bürgerkrieg besser einordnen und vielleicht sogar besser verstehen zu können. Gerlach geht dabei nicht chronologisch vor, was einerseits zu vielen zeitlichen Sprüngen führt, andererseits aber die Reichweite historischer Ereignisse und Entwicklungen bis in die Gegenwart gut aufzeigt. So beginnt er zum Beispiel im ersten Kapitel mit den Aufständen in Deraa, holt dazu aber immer wieder bis weit in die frühen 2000er‑Jahre aus, um die individuellen Werdegänge der beteiligten Akteure innerhalb des Regimes detailreich nachzuzeichnen und damit die Ereignisse des Frühjahrs 2011 in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Insgesamt vertritt der Autor die These, dass der syrische Staat und das Assad‑Regime in den Jahrzehnten der Herrschaft von Baath‑Partei und Assad in einer Art und Weise verschmolzen sind, dass der syrische Staat eigentlich aufgehört hat zu existieren, ohne dass dies aber vielen Menschen aufgefallen wäre. Staatliche Strukturen wurden nach und nach durch extrem haltbare Patronagesysteme ersetzt, die bis heute das Assad‑Regime am Leben halten. Es handele sich, so Gerlach, im Fall Syrien deshalb um einen Staatszerfall bei gleichzeitiger Stärkung des Regimes.
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Rubrizierung: 2.632.232.25 Empfohlene Zitierweise: Christiane J. Fröhlich, Rezension zu: Daniel Gerlach: Herrschaft über Syrien. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38745-herrschaft-ueber-syrien_47036, veröffentlicht am 13.08.2015. Buch-Nr.: 47036 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken