Zweifellos ist Gewalt als soziales Phänomen außerordentlich facettenreich; die Bestimmung der Grenze, jenseits derer Gewalt beginnt, ist politisch ebenso wie wissenschaftlich umstritten. Während die politische Rede überwiegend auf die Unterscheidung legal/illegal bezogen ist, bezieht sich die Auseinandersetzung innerhalb der Sozialwissenschaften auf die Frage, ob ein weiter, auch strukturelle und symbolische Aspekte einschließender Begriff angemessen ist oder ob nicht vielmehr in einem engen Sinne nur dann von Gewalt gesprochen werden sollte, wenn eine intentionale, physische Schädigung Dritter vorliegt. Diese konkurrierenden Definitionen zeigen – so die Herausgeber des Sammelbandes – dass die Wahrnehmung von Gewalt in einen Kommunikationsprozess eingebunden ist, der das politische Feld ebenso betrifft wie das intellektuelle. Vor diesem Hintergrund bietet der Band anregende Fallstudien über den Formenwandel von Gewalt und deren Wahrnehmung am Ende des 20. Jahrhunderts. In den Beiträgen wird teils der klassische – enge – Gewaltbegriff problematisiert, teils geht es um die Rolle des staatlichen Gewaltmonopols angesichts neuer Entwicklungen im Bereich politisch motivierter Gewalt. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch Tendenzen der Entgrenzung des Gewaltmonopols, wie sie an der jüngsten Diskussion über eine Lockerung des Folterverbots ablesbar sind.