Hegemonie gepanzert mit Zwang. Zivilgesellschaft und Politik im Staatsverständnis Antonio Gramscis
„Gramscis „Originalität [...] liegt in der nachhaltigen Erweiterung des traditionellen Staatsbegriffs“ (11), dem sowohl die liberale als auch die klassisch-marxistische Staatstheorie in ihrem hegelianischen Erbe des Dualismus von Staat und Gesellschaft aufsaßen. Das enge Verständnis vom Staat als bloßem Gewaltmonopol (Max Weber), also einem in „erster Linie [...] polizeilichen, militärischen und administrativen Apparat“ (11), erweiterte er durch sein Konzept der „Hegemonie“. Hiernach würde der die modernen Staaten stabilisierende Konsens gerade in den vermeintlich privaten Einrichtungen der „Zivilgesellschaft“ (Schule, Universität, Kirche, Gewerkschaften, Medien usw.) hergestellt. Diese begreift Gramsci ausdrücklich als Teil staatlicher Herrschaft, da sich hierüber der „Staat“ - in marxistischer Diktion: die herrschende Klasse – die öffentliche Unterstützung verschaffe. So stelle sich der „integrale Staat“ des Kapitalismus insgesamt als „Hegemonie, gepanzert mit Zwang“ (Titel) dar. Gramsci hielt damit zwar am Klassenkonzept fest, erweist sich zugleich aber als Theoretiker, der bereits seit den 20er-Jahren den engen ökonomischen Determinismus des Marxismus zugunsten einer „eigenständigen Bedeutung von Ideologie und Politik“ (14) überwand. Der von Buckel und Fischer-Lescano (beide Universität Frankfurt a. M.) konzipierte Band schließt eine Lücke im deutschsprachigen Schrifttum, da es bisher keine systematische Darstellung dieser, in den „Gefängnisheften“ eher „fragmentarisch“ entwickelten (12) Staatstheorie von Gramsci gibt. Dabei werden gerade neo-gramscianische Rezeptionslinien der Rechts- und Demokratietheorie (z. B. Poulantzas, Mouffe) angesichts der „Transnationalisierung“ des „integralen Staates“ ausführlich miteinbezogen.