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Christoph Butterwegge

Hartz IV und die Folgen. Auf dem Weg in eine andere Republik?

Weinheim/Basel: Beltz Juventa 2015; 290 S.; brosch., 16,95 €; ISBN 978-3-7799-3234-5
Auch zehn Jahre nach in Krafttreten der größten arbeitsmarkt‑ und sozialpolitischen Reform – „Hartz IV“ – im wiedervereinten Deutschland scheiden sich daran die Geister. Für die einen war sie ein Fortschritt im Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit und die Ursache für das Wiedererstarken des „kranken Manns in Europa“. Für Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln und ausgewiesener Kritiker der Hartz‑Reformen, ist die Reform ein Beispiel für die inhumane Deregulierung des Arbeitsmarktes im Zuge der neoliberalen Invasion in das deutsche Sozialsystem und der Stigmatisierung, Fragmentierung und Ausgrenzung von Arbeitslosen, was – so seine These – zu einer neuen Armut führt. Dabei analysiert er die Folgen von Hartz I bis IV und deren mediale Aufbereitung weniger mit moralischen Werturteilen, wie ihm oft vorgeworfen wird, sondern über weite Teile mit einem Gespür für soziale (Ausgrenzungs‑)Prozesse. Nach einem gut recherchierten historischen Rückblick auf die Anfänge des deutschen Sozialstaats und dessen Kontinuitäten wie Entwicklungslinien in der neu gegründeten Bundesrepublik ist es Butterwegge wichtig, die Genese der Reformbemühungen nachzuzeichnen – was aufgrund der phasenweise polemischen Abrechnung mit den Verantwortlichen der Hartz‑Reformen, die weitgehend zusammenhangslos zum eigentlichen Erkenntnisinteresse stehen, streckenweise langatmig zu lesen ist. Diese ambivalente Einschätzung gilt für die restlichen Kapitel jedoch größtenteils nicht. Die Bedeutung des Buches speist sich gerade aus den Kapiteln 6 bis 8, in denen sich Butterwegge konkret mit den Folgen von Hartz IV auseinandersetzt. Besonders die sozialpolitisch fragwürdigen Entwicklungen der Vermehrung von Erwerbsarmut trotz des Mindestlohns, der sozialen Ausgrenzung und Stigmatisierung sowie der Sparpolitik auf Bundesebene werden anhand vieler Beispiele beleuchtet. Der Argumentationslinie werden Studien zum Ausmaß nicht‑sozialversicherter Arbeitsverhältnisse, zur Leiharbeit oder zu Kettenverträgen hinzugefügt. Butterwegge erarbeitet so die These, dass das „Jobwunder“ nicht zu einer Erhöhung des Arbeitsvolumens geführt hat – das gleiche Arbeitsvolumen wird heute nur von mehr Menschen in zum Teil prekären Arbeitsverhältnissen erledigt. Wird von den polemischen Abschnitten abgesehen, ist das Buch mit Blick auf die Erscheinungsformen der „Erosion des Sozialen“ wärmstens zu empfehlen.
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Rubrizierung: 2.3422.32.3152.331 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Christoph Butterwegge: Hartz IV und die Folgen. Weinheim/Basel: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38246-hartz-iv-und-die-folgen_46531, veröffentlicht am 02.04.2015. Buch-Nr.: 46531 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken