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Lisa Kammermeier

Handlungsspielräume und Grenzen von Kriegsverbrechertribunalen

Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2013 (Regensburger Studien zur Internationalen Politik 14); 214 S.; 78,80 €; ISBN 978-3-8300-6626-2
Magisterarbeit. – Lisa Kammermeier stellt die berechtigte Frage, wie effektiv Kriegsverbrechertribunale sind. Sie versucht zunächst, die hierfür ausschlaggebenden Variablen zu identifizieren (verwendet wird der Begriff der Einflussfaktoren), um diese anschließend gewichten beziehungsweise ihre Bedeutung bewerten zu können – Kammermeier spricht von einer „Wertigkeitsskala für die Stärke der einzelnen Faktoren“ (20). Das Falluniversum umfasst die fünf Tribunale für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), Ruanda (ICT), Ost‑Timor (SPSC), Sierra Leone und Kambodscha (ECCC). Ausschlaggebende Kriterien für diese Auswahl sind die Beteiligung der UN, der Strafgegenstand (Kriegsverbrechen, Genozid und oder Verbrechen gegen die Menschheit) und die Anklage von hauptverantwortlichen Personen für diese Verbrechen durch das jeweilige Tribunal. Zum Vergleich hat die Autorin eine Effektivitätsdefinition entwickelt, die auf die Vollständigkeit, Angemessenheit und Schnelligkeit des Prozesses im Rahmen von Kriegsverbrechertribunalen abzielt. Demnach relevant sind die Frage der Anklage der tatsächlichen Hauptverantwortlichen, die Dauer und kontinuierliche Führung von Prozessen und die Einhaltung von internationalen Rechtsstandards im Sinne eines fairen Verfahrens. Lediglich zwei der fünf Tribunale arbeiten der Untersuchung zufolge effektiv: der Sondergerichtshof Sierra Leone und das ICTY. Beide Gerichte sind laut Kammermeier dabei international und lokal akzeptiert und anerkannt – ein Ergebnis, das angesichts der Tatsache, dass lediglich das Tribunal für Sierra Leone auch vor Ort verhandelt, nicht selbsterklärend ist. Interessant ist ebenfalls, dass die Akzeptanz der Gerichte durch die lokale Bevölkerung „keinen direkten Einfluss auf die Wirkungsweise der Gerichte“ (177) hat. Somit scheint der politische Wille der beteiligten Akteure entscheidend: Nur unter dieser Bedingung lassen sich eine mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz und strukturelle beziehungsweise institutionelle Schwächen der Tribunale ausklammern. Wohlgemerkt geht es dabei lediglich um den Prozess der Urteilsfindung, nicht aber um die Urteilsvollstreckung, die jedoch eine weitere Herausforderung für Staaten in Post‑Konfliktphasen darstellt. Überraschend kommt Kammermeiers Fazit, wonach Kriegsverbrechertribunale „ein Teil umfassender Demokratisierungsmaßnahmen sind und sein müssen“ (184). Dieses Urteil berechtigt zumindest zu weiteren Fragen, steht aber nicht in unbedingten Zusammenhang mit der soliden Analyse des Buches.
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Rubrizierung: 4.414.32.252.232.672.682.61 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Lisa Kammermeier: Handlungsspielräume und Grenzen von Kriegsverbrechertribunalen Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37859-handlungsspielraeume-und-grenzen-von-kriegsverbrechertribunalen_45868, veröffentlicht am 04.12.2014. Buch-Nr.: 45868 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken