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Axel Adrian

Grundsatzfragen zu Staat und Gesellschaft am Beispiel des Kinder-/Stellvertreterwahlrechts. Eine rechtliche Untersuchung mit Bezügen zu Demographie, Demoskopie, Psychologie und Philosophie

Berlin: Duncker & Humblot 2016 (Schriften zum Öffentlichen Recht 1313); 560 S.; 99,90 €; ISBN 978-3-428-14838-7
Bedenkt man die vielen Argumente für beziehungsweise gegen ein Kinderwahlrecht und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in dieser Frage, ergibt sich ein hoch divergentes Bild. Demnach gibt es mindestens drei Gruppen, die um die Meinungshoheit ringen: Pro Absenkung des Wahlalters, zum Beispiel auf 16 Jahre (zentral: das Argument der Generationengerechtigkeit); dann die Befürworter der derzeit gültigen Regelungen, die in Art. 38 GG enthalten sind; und schließlich die Befürworter des Stellvertreter‑ oder Familienmodells, zu denen auch Axel Adrian zählt. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Frage der Gewichtung zwischen Art. 20 und Art. 38 GG, wobei seine Ausführungen entsprechend den Ansprüchen an die juristische Methodenlehre sehr viel differenzierter ausfallen. Ab wann sollen Kinder selbstbestimmt wählen dürfen und was spricht dafür, dass die Eltern dieses Wahlrecht zuvor in Vertretung ausführen? Von der Kausalität her muss der Autor bei der Altersbeschränkung in Art. 38 GG ansetzen, wohl wissend, dass er hier gegen die Linie des BVerfG argumentiert. Also geht es um so Grundsätzliches wie die Frage der Treuhänderschaft oder die Gleichheit der Wahl, wobei ganz im Stile der Advocatus‑Diaboli‑Technik Argumente abgewogen, verworfen oder bestätigt werden. So ist für den Autor das Wahlgeheimnis selbst dann gewahrt, wenn das Kind seinen Eltern (Adoption und Vormundschaft spielen kaum eine Rolle) seine Entscheidung mitteilt. Was, wenn sich die Eltern nicht an diese Aussage halten? Besteht gar eine Rechtfertigungspflicht, wo sich Adrian doch ausdrücklich auf die Spielregeln der modernen Polis und damit auf den Gesellschaftsvertrag beruft, der diese grundiert? Um seine Aussagen zu belegen, unternimmt er interessante Ausflüge unter anderem in die Wahlforschung und die Psychologie, ein Exkurs zum Bayerischen Landtag und zum Europaparlament illustriert Reformpotenziale. Sieht man einmal von der denkwürdigen Frage nach der Zweidrittelmehrheit im Bundestag ab, kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass hier nur eine politische Setzung weiterhelfen kann. Dem ist nicht zu widersprechen.
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Rubrizierung: 2.3322.3312.612.222.3253.4 Empfohlene Zitierweise: Martin Schwarz, Rezension zu: Axel Adrian: Grundsatzfragen zu Staat und Gesellschaft am Beispiel des Kinder-/Stellvertreterwahlrechts. Berlin: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40122-grundsatzfragen-zu-staat-und-gesellschaft-am-beispiel-des-kinder-stellvertreterwahlrechts_48420, veröffentlicht am 27.10.2016. Buch-Nr.: 48420 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken