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Adamantios Skordos

Griechenlands Makedonische Frage. Bürgerkrieg und Geschichtspolitik im Südosten Europas 1945-1992

Göttingen: Wallstein Verlag 2012 (Moderne Europäische Geschichte 2); 440 S.; geb., 39,90 €; ISBN 978-3-8353-0936-4
Diss. Leipzig; Begutachtung: S. Troebst, M. Middell. – Hysterisch reagierten die Griechen nach dem Zerfall Jugoslawiens auf die Gründung der Republik Makedonien, im April 2008 verhinderte die Regierung in Athen sogar deren Beitritt in die NATO, weil das Land „unter einem Namen agiere, der Teil des hellenischen Erbes sei“ (12). Skordos hat für diese „nationalistische Welle“ (10) keinerlei Verständnis, kann sie aber in seiner kulturhistorischen Analyse aufschlussreich erklären und damit ein Bild der politischen Kultur Griechenlands vermitteln, das weit über die mediale Berichterstattung hinausgeht. Skordos’ Hypothese lautet, dass „die griechische ‚Makedonienhysterie’ der frühen 1990er-Jahre nur unter Berücksichtigung von 40 Jahren bürgerkriegs- und makedonienbezogener griechischer Geschichtspolitik zu verstehen ist“ (13). In der chronologisch gegliederten Darstellung, ergänzt durch ein Kapitel zur griechischen Diaspora, wird deutlich, dass die griechische Geschichtspolitik in dem Zeitraum zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Beginn der Transition auf dem Balkan antikommunistisch und antislawisch dominiert war. Vor allem die Niederlage der Kommunisten im Bürgerkrieg wurde geschichtspolitisch nie verarbeitet, so eine zentrale Aussage dieser Untersuchung, die Linke lebte mit dem Makel der Vaterlandsverräter. Da die Kommunisten im Bürgerkrieg einige Zeit von Albanien und Jugoslawien unterstützt worden waren, verankerte sich außerdem eine antislawische Haltung, die zudem an ältere Geschichtsbilder anknüpfen konnte. Als dann die Republik Makedonien gegründet wurde, stieß man sich an diesem Namen mit der Behauptung, dieser könne zu Verwechslungen mit der nordgriechischen Landschaft führen. Skordos beschreibt, wie dann historische Fakten verdreht und die griechische Öffentlichkeit gezielt desinformiert wurden. So sei nicht klar gemacht worden, dass Griechenland noch nie ganz Makedonien habe beanspruchen können, der makedonischen Regierung sei unterstellt worden, Alexander den Großen – die große Gestalt der griechischen Geschichte – als Slawen ausgeben zu wollen, man habe von einer unterdrückten griechischen Minderheit in Makedonien geredet und davon, dass das Land auf Kosten Griechenlands expandieren wolle. Skordos entlarvt diese Abwehrreaktion auf die Republik Makedonien als geschichtspolitischen Reflex. Dahinter habe die Absicht gestanden, sich nicht mit der eigenen Geschichte befassen zu müssen, erreicht werden sollte dagegen „ein Höchstmaß an innerer Geschlossenheit der Bevölkerung“ (416).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.25 | 4.41 | 4.1 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Adamantios Skordos: Griechenlands Makedonische Frage. Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34183-griechenlands-makedonische-frage_41004, veröffentlicht am 14.06.2012. Buch-Nr.: 41004 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken