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Gerhard Sälter

Grenzpolizisten. Konformität, Verweigerung und Repression in der Grenzpolizei und den Grenztruppen der DDR 1952 bis 1965. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt

Berlin: Ch. Links Verlag 2009 (Militärgeschichte der DDR 17); XI, 483 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-86153-529-4
Welche Mechanismen waren erforderlich, um normale junge Männer am Aufbau des Grenzregimes der DDR zu beteiligen und dazu zu bringen, „auf unbewaffnete Zivilisten ihres eigenen Landes zu schießen“ (IX)? Dies sei für einen modernen Staat eine Ausnahmesituation gewesen, gewöhnlich werde das Militär allenfalls etwa bei bewaffneten Aufständen nach innen eingesetzt. Sälter geht nach Aktenlage nicht davon aus, dass die Grenzpolizisten und -soldaten politisch linientreuer waren als die durchschnittliche Bevölkerung. Aufgrund von Rekrutierungsproblemen habe eher das Gegenteil zugetroffen, gerade bis Ende der 50er-Jahre sei eine große Zahl von Männern in die Grenzpolizei aufgenommen worden, die nicht mit der SED sympathisierten. „Die Grenzpolizei war keine besonders loyale Truppe.“ (438). 1961/62 sei die Grenzpolizei in die Streitkräfte integriert worden und die meisten Offiziere seien in die Partei eingetreten. Die einzelnen Grenzer seien durch die Militarisierung der Polizei unter Druck geraten, ihre Kasernierung habe eine genauere Überwachung ihres individuellen Verhaltens ermöglicht, flankiert von einer unwillentlichen gegenseitigen Überwachung und strafbewehrten Denunziationspflicht. Das Disziplinarsystem habe auf Bestrafung basiert, kontrolliert worden sei die Grenzpolizei zudem vom MfS. Sälter kommt zu dem Schluss, dass die individuelle Mitwirkung des Einzelnen „auf einem Wirkungsgeflecht aus militärischer Sozialisation, intensiver Überwachung und Angst vor Strafe“ (445) basierte. Die genaue Darstellung der einzelnen Komponenten der Einbindung in das Grenzregime ergänzt der Autor mit Fallbeispielen, in denen sich die – auch abweichende – Realität dieses Regimes spiegelt. Außerdem werden Aspekte der Verweigerung und Repression hervorgehoben und damit auch die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen sichtbar – allein zwischen 1950 und 1961 gingen fast 6.000 Militärangehörige illegal über die Grenze. Als Ursache der zahlreichen Desertionen „machte die Militärstaatsanwaltschaft beim Stadtkommandanten ‚politische Unklarheiten über die Gerechtigkeit und Notwendigkeit der Sicherungsmaßnahmen des 13.8.1961’ verantwortlich“ (341).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Gerhard Sälter: Grenzpolizisten. Berlin: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32494-grenzpolizisten_38776, veröffentlicht am 30.08.2010. Buch-Nr.: 38776 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken