
Gott ist rot. Geschichten aus dem Untergrund – Verfolgte Christen in China. Aus dem Chinesischen von Hans Peter Hoffmann
Der chinesische Dissident Liao Yiwu, 2011 aus seinem Heimatland geflüchtet, verleiht als einer der wenigen der einfachen chinesischen Bevölkerung wenigstens im Ausland eine Stimme. Nachdem er aus der Haft, die er für das Gedicht „Massaker“ verbüßen musste (siehe auch Buch‑Nr. 43142), entlassen wurde, zog er durch das Land und interviewte Menschen, die die Härte der Diktatur besonders zu spüren bekommen hatten. Zwischen 2005 und 2009 befragte er in der südwestlichen Provinz Yunnan Christinnen und Christen nach ihrem Leben. Die Berichte der meist alten Menschen, die – es ist nicht immer eindeutig im Text erkennbar – ethnischen Minderheiten angehören, sind erschütternd. Nach der Machtübernahme der Kommunisten wurden Christen im Zuge der Bodenreform oftmals zu Grundbesitzern erklärt und damit kriminalisiert, als Konterrevolutionäre und ausländische Spione verhaftet und getötet. Hunger und Armut sind zu den lebenslangen Begleitern der Überlebenden geworden. Die Interviewten aber sind bei ihrer Haltung geblieben, dass sie mit ihrem Bekenntnis zum christlichen Glauben nur Familientraditionen fortsetzen und damit nichts Unrechtes tun. Erzählt wird damit auch die Missionsgeschichte in China seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Wang Zisheng, der Sohn des Märtyrers Wang Zhiming, der 1998 über dem Westportal von Westminster Abbey in London abgebildet wurde, erklärt, warum die christliche Religion überhaupt in China Verbreitung gefunden hat: Das Volk der Miao beispielsweise habe zuvor an Geister und Dämonen geglaubt und sich bei Festen für diese wirtschaftlich ruiniert, auch habe es an einem elementarsten Wissen etwa über Hygiene gefehlt. Die westlichen Missionare hätten Brunnen gebaut, Regeln der Sauberkeit weitergegeben und alle Menschen gleich behandelt. Wang Zisheng hebt damit die in die Moderne weisenden Aspekte hervor. Die allgemeinen chinesischen Verhältnisse dagegen erscheinen noch heute weit von gerechten Zuständen entfernt, immer wieder zur Sprache kommt die schlechte medizinische Versorgung der Bevölkerung, die für ein völliges Versagen der KP steht. Das Christentum scheint deshalb trotz der Jahrzehnte seiner Unterdrückung für einige Menschen seine Anziehungskraft behalten zu haben und seit 1980 dürfen wieder – sofern sie zuvor inhaltlich genehmigt wurden – Messen gelesen werden. Insgesamt bietet das Buch, von Hans Peter Hoffmann nachfühlend übersetzt, keine systematische Aufarbeitung des Christentums in China, dafür eine am einzelnen Christen festgemachte bittere Bilanz der kommunistischen Herrschaft.